Der Feuerthron
dann ist es aus«, fuhr es dem Mädchen durch den Kopf, und dann befahl sie dem Tier kurzerhand: »Sei still!«
Der Hund öffnete das Maul, als wolle er Laut geben, schloss es dann wieder und starrte die beiden Menschen abwechselnd an. Schließlich wich er ein paar Schritte zurück und legte sich leise winselnd auf den Boden.
Mera schob sich vorsichtig an dem Hund vorbei. Das Tier folgte ihr nur mit seinen Blicken und ließ auch Girdhan passieren. Dann aber stand es auf und lief schwanzwedelnd hinter ihnen her. »Was hast du mit dem Hund gemacht?«, fragte Girdhan leise. »Ich? Gar nichts!«
»Doch, das hast du. Als du das Tier angesprochen hast, haben deine Augen genauso blau geleuchtet wie die der Hexe auf dem Fluss.«
»Ich habe ja auch die Anlagen dazu, eine gute Hexe zu werden. Wenigstens hat Torrix das gesagt. Ich hoffe nur, das Biest hetzt uns nicht die Verfolger auf den Hals.« Ihr durchdringender Blick traf dabei den Hund, der nun neben Mera herlief und spielerisch nach ihren Händen schnappte. Das Mädchen überlegte, ob sie ihm befehlen solle, in seinen Zwinger zurückzukehren, doch da tauchten erneut Leute in ihrer Nähe auf.
Die Männer waren nicht gerade begeistert, sich die Nacht um die Ohren schlagen zu müssen. Mera hörte sie schimpfen, ohne verstehen zu können, was sie sagten. Eines aber begriff sie: Wenn sie und Girdhan diesen Leuten in die Hände fielen, würden sie den Jungen erschlagen und sie selbst erst einmal kräftig verprügeln.
»Das hättet ihr wohl gerne!«, zischte Mera giftig, und sie wollte schon dem Hund befehlen, auf die Kerle loszugehen.
Im letzten Augenblick fasste Girdhan sie am Arm. »Tu es nicht!«
»Was?«
»Was auch immer du vorhast. Deine Augen leuchten wieder, und ich höre die Stimme der Hexe. Lass uns ganz schnell von hier verschwinden!«
Mera war klar, dass ihr Freund recht hatte. Dennoch ärgerte sie sich über die Männer, denen Girdhan zwei Tage zuvor im »Blauen Fisch« noch das Bier hingestellt hatte. Sie verstand die Welt nicht mehr und war schließlich froh, als sie die Fischervorstadt umgangen hatten und den Hafen vor sich sahen.
An dieser Stelle schien ihre Flucht zu Ende zu sein. Große Feuer leuchteten den Strand weithin aus, und die Boote waren so hoch an Land gezogen worden, dass es mehrerer kräftiger Männer bedurfte, sie wieder zu Wasser zu lassen. Zwischen den Feuern aber standen Stadtbüttel, königliche Gardisten und Fischer herum, die zum Wachdienst eingeteilt worden waren.
Girdhan ließ sich hinter einen Busch fallen und sah Mera verzweifelt an. »Jetzt ist alles aus. Hier kommen wir nicht mehr weg.«
»Nicht aufgeben! Wir können zwar keines der Boote hier nehmen, doch es müsste auch drüben beim Flüchtlingslager welche geben. Komm weiter! Irgendwie schaffen wir es schon.«
Girdhan war anzusehen, dass er nicht mehr daran glaubte, aber er folgte Mera mit hängendem Kopf. Obwohl der hell erleuchtete Hafen bald hinter ihnen zurückblieb, mussten sie eine ganze Weile auf der Hut sein, um nicht vom Licht der Wachfeuer erfasst zu werden, denn die Soldaten stürmten auf jeden Schatten zu, der sich scheinbar bewegte.
Das Flüchtlingslager, in dem vor zwei Tagen noch mehr als dreihundert Menschen gelebt hatten, erschien Mera merkwürdig still. Erst der Geruch nach Asche und kaltem Rauch brachte ihr und Girdhan zu Bewusstsein, dass die königlichen Wachen die Hütten der früheren Bewohner niedergebrannt hatten. Leider hatten sie auch deren Boote und Floße zerstört und ihnen damit jede Möglichkeit zur Flucht genommen.
Mera ließ sich erschöpft und enttäuscht auf einen Felsvorsprung sinken und kämpfte gegen die Tränen. Da vernahm sie einen kurzen, nicht besonders lauten Pfiff. Gleichzeitig löste sich ein Schatten aus den zerklüfteten Klippen und winkte ihnen zu.
»Da seid ihr ja endlich! Ich dachte schon, ihr würdet gar nicht mehr kommen.«
»Kip!« Mera starrte den Fischerjungen verblüfft an. Als Kinder waren sie, Girdhan und Kip fast unzertrennlich gewesen, doch seit sie und ihr Ziehbruder ihrer Mutter helfen mussten und ihr gemeinsamer Freund immer wieder von dem einen oder anderen Fischer mit aufs Meer genommen wurde, hatten sie nicht mehr so oft gemeinsam herumstreifen können.
Kip war ein kleiner, drahtiger Junge, der immer zu Streichen aufgelegt war und auch jetzt zu glauben schien, mitten in einem vergnüglichen Abenteuer zu stecken. Er grinste so breit, dass seine Zähne im Widerschein der Wachfeuer aufblitzten. »Ihr
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