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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Sonnenstrahlen, die noch durch das dichte Blätterdach fielen, ging dann ein paar Schritte dem Sonnenuntergang entgegen und wartete, bis Mera zu ihm aufgeschlossen hatte. Auf dem weichen Moos ließ es sich gut laufen, und das blaue Glimmen, das sie gestern noch erschreckt hatte, erschien ihnen jetzt so normal, als wären sie von frühester Kindheit daran gewöhnt. Es passierte auch weiter nichts Ungewöhnliches. Außer einigen Schmetterlingen mit blauen Flügeln sahen sie keine Tiere, obwohl sie verschiedenste Geräusche um sich herum wahrnahmen. Oft erklang ein Wispern, das sich beinahe wie die Stimme eines Menschen anhörte, aber jedes Mal verstummte, wenn sie versuchten, seinen Ursprung zu erkunden.
    Kurz nach Einbruch der Nacht erreichten sie den Fluss und wurden durch ein Zischen auf den Posten aufmerksam gemacht, der am anderen Ufer Wache hielt. Sie bemerkten jedoch rasch, dass der Mann zwar immer wieder auf das Wasser schaute, den Wald selbst aber nicht anzusehen wagte.
    Mera kniete im Schutz eines am Ufer stehenden Busches nieder und stieß Girdhan an. »Wir warten, bis der Mann wieder in die andere Richtung blickt, dann gleiten wir ins Wasser und schwimmen los. Wir dürfen nur nicht spritzen oder anderen Lärm machen. Wenn der Kerl dort drüben oder andere Leute in unsere Richtung schauen, tauchen wir und halten die Luft an.«
    »Bis dieselbe wieder rein ist!« Girdhan grinste, so dass Mera sein prachtvolles Gebiss im Schein des Mondes schimmern sah. Er schlich zum Ufer und glitt so lautlos wie eine Schlange ins Wasser. Mera folgte ihm nicht weniger leise und hielt dabei Ausschau nach im Fluss treibendem Holz, an dem sie sich festhalten konnten. Als Kinder aus der Fischervorstadt hatten sie und Girdhan früh schwimmen gelernt, doch ein größerer Ast oder ein Baumstammwürde ihnen etwas Deckung bieten und dafür sorgen, dass sie zusammenblieben.
    Mera entdeckte schließlich einen schenkeldicken, dicht belaubten Ast mit vielen Zweigen, der erst vor Kurzem abgebrochen sein musste. Sie schwamm darauf zu, ergriff ihn und spürte etwas von dem verzauberten Wald in ihm. Das würde die Hexe möglicherweise auch bemerken. Dennoch forderte sie Girdhan mit der freien Hand auf, ihr zu folgen. Als sie wieder zu dem Wächter hinüberspähte, wirkte der Mann seltsam starr und kippte plötzlich vornüber. Er raffte sich zwar sofort wieder auf und schimpfte wie ein Rohrspatz, doch da waren Mera und Girdhan bereits außer Sichtweite.
    Im Gegensatz zu den beiden Kindern war Timpo von dieser Art zu reisen gar nicht begeistert. Mera hatte ihre Schürze zu einer Art Tasche zusammengebunden und ihn hineingesteckt. Obwohl sie sich bemühte, das Tierchen über Wasser zu halten, tauchte es das eine oder andere Mal unter und machte seinem Abscheu gegen das unfreiwillige Bad mit knurrenden Geräuschen Luft.
    »Sei still!«, flüsterte Mera ihm zu und hängte den Beutel an einen Zweig des Astes, so dass Timpo sie nicht behinderte.
    Schon bald blieb der Hexenwald, in dem sie für eine Nacht und einen Tag Unterschlupf gefunden hatten, hinter ihnen zurück, und sie schwammen an den lichten Auwäldern vorbei, die den Fluss an beiden Ufern säumten. Den lauten Stimmen und dem Gebell der Hunde nach, patrouillierten dort mehrere Gruppen Soldaten oder städtischer Miliz.
    Girdhan krallte seine rechte Hand um Meras Arm, als suche er bei ihr Schutz. »Sie suchen uns überall, und sie werden nicht aufgeben, bevor sie uns gefangen haben.«
    »Dann werden sie noch lange suchen müssen. Und jetzt beiß endlich die Zähne zusammen! Sie klappern so laut, dass sie uns noch verraten werden.«
    Damit brachte Mera ihren Freund zum Grinsen. »So schlimm istes wirklich nicht. Doch ich fürchte, Hannez’ Boot werden wir nicht nehmen können. Es dürfte streng bewacht werden.«
    Mera stellte erleichtert fest, dass Girdhan sich wieder gefasst hatte, und atmete auf. Es war schwer genug, selbst einen klaren Kopf zu behalten, doch gleich für zwei zu denken war ihr zu viel.
    »Gut, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast. Wir werden uns einfach ein anderes Boot aussuchen. Der Fischerhafen ist groß, und sie können ja nicht an jedem Kahn einen Wachtposten aufstellen.«
    Da sie auf eine Stelle zutrieben, an der mehrere Männer direkt am Ufer ein Lagerfeuer entzündet hatten, tauchten sie geräuschlos unter. Ein Stück weiter unten reckten sie ihre Köpfe wieder über Wasser und konnten ihre schmerzenden Lungen mit Luft füllen.
    »Das wäre geschafft!«

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