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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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besagte, dass eine Hexe aus Meravanes Blut unsere Schande erkennen würde. Dies haben wir verhindert.«
    Nun setzte Sianderilneh alles auf eine Karte. »Aus diesem Grund habe ich auch diese junge Hexe gefangen genommen und in den Felsen eingeschlossen. Ich weiß, ich hätte sie hierherbringen müssen, doch ich wollte unser Volk nicht noch mehr beunruhigen.«
    Hekerenandil bebte vor Zorn. Die Cousine der Königin hatte sie geschickt ausmanövriert, indem sie ihren Verstoß gegen die Gesetze zugab und ihn gleichzeitig als Opfer darstellte, das sie der Allgemeinheit gebracht hatte. Prompt schwenkten diejenigen, die sie gewonnen zu haben glaubte, wieder auf Sianderilnehs Seite. Die Erinnerung an die Schrecken des großen Krieges und die fürchterlichen Verluste, die ihr Volk in ihm erlitten hatte, saß einfach zu tief, und beinahe jeder Runi, der die Jahre zählte wie die Menschen ihre Tage, fürchtete sich seitdem vor einem viel zu frühen Tod.
    Mit einer müden Bewegung wies sie auf den mächtigen Stamm, der hinter ihr in den Himmel ragte. »Den Heiligen Baum unseres gelben Brudervolkes hat Wassuram vernichten können, und auch unser eigener Zentrumsbaum ist durch seinen Zauber schwer erkrankt und hat sich niemals mehr erholt. Seit tausend Jahren hat er weniger Blüten getragen, als in unserem Volk Kinder geboren worden sind.«
    »Es waren genauso viele Blüten wie Kinder, nämlich drei«, korrigierte Reodhilan sie.
    »Zwei davon wurden kurz nach dem Krieg geboren und das dritteerst nach unendlich langer Zeit!« Die Königin nahm Hekendialondilan, die dem Ganzen fassungslos gefolgt war, tröstend in die Arme.
    Die junge Runi wagte es nicht, sich zu befreien, verschloss aber ihre Gedanken so tief wie möglich in sich selbst. Das meiste von dem, was sie hier erfahren hatte, war ihr bislang unbekannt gewesen. Wenn ihre Mutter oder andere von dem großen Krieg gesprochen hatten, dann nur in Umschreibungen und ohne auf Einzelheiten einzugehen, und sie hatte noch nie von der Schande ihres Volkes gehört. Ältere Runi hätten vielleicht taktvoll geschwiegen, doch als Menanderah, die ihre Verwirrung spürte, sie losließ, stellte Hekendialondilan die Frage, die wie ein Donnerschlag über den Versammlungsplatz hallte.
    »Wer, bei Meandir, ist denn der jetzige Herrscher auf dem Feuerthron?«
    »Schweigt!«, rief Sianderilneh sofort. Dieser Befehl galt einigen Freunden von Hekerenandil, die ganz so aussahen, als wollten sie das Mädchen ins Vertrauen ziehen.
    Doch zum ersten Mal seit Langem hielt die Königin ihre Cousine zurück. »Schweigen solltest du! Hekendialondilan ist eine Runi und hat ein Recht darauf, alles zu erfahren.«
    Ihr Gesicht verzog sich wie unter einem schwarzmagischen Angriff. »Nach dem Sieg über Wassuram und der Kapitulation seiner Gurrims – oder Gurrländer, wie sie jetzt genannt werden – glaubten wir, alles überstanden zu haben. Der Feuerthron war in seine Einzelteile zerschlagen worden und diese für uns leider unzerstörbaren Teile in alle Welt verstreut. Nach dem Sieg haben wir Ordnung unter den verschiedenen Menschenvölkern geschaffen und sind dann nach Runia zurückgekehrt, in der Hoffnung, nun wieder in friedlichen Zeiten leben zu können. Doch die Wunden des Krieges saßen tief.
    Unser Heiliger Baum hat durch Wassurams Zauber schweren Schaden genommen und sich bis heute nicht davon erholt, denner treibt keine Blüten mehr. Und solange er das nicht tut, ist unser Volk dem Tod geweiht. Bis auf die zwei Kinder, die kurz nach dem Ende des Krieges zur Welt kamen, wurden sechs Jahrhunderte lang keine Runi mehr geboren. Lange Zeit haben wir uns gefragt, welcher Zauber an diesem Verhängnis schuld wäre, und es gab einen unter uns, der überzeugt war, der unheilvolle Einfluss unseres Feindes Wassuram sei nicht mit dessen Tod erloschen, sondern wirke durch die Bruchstücke des Feuerthrons weiter. Aus diesem Grund hat sich ein Runi aufgemacht, die einzelnen Teile wieder einzusammeln, um sie zu studieren und einen Weg zu finden, wie der feindliche Zauber gebrochen werden könne.
    Eine Weile schien es, als würde ihm dies gelingen. Du, Hekendialondilan, wurdest empfangen und geboren, und wir schöpften Hoffnung. Dann aber nahm das Verhängnis seinen Lauf. Der, der den Zauber bekämpfen wollte, war einer unserer fähigsten jungen Männer – und doch zu schwach. Er erlag dem schwarzen Zauber und setzte den Feuerthron wieder zusammen. Bevor wir begriffen, was geschah, hatte er sich zum Herrn von Gurrland

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