Der Feuerthron
es keine echten Goldgarnelen sind, aber schmecken tun sie!« Er stieß genussvoll auf und verputzte das nächste Dutzend.
Mera aber hatte es den Appetit verschlagen. Sie ging zur Quelle, wusch sich die Hände und stillte ihren Durst. Sie hatte bei der älteren Runierin eine starke Anspannung bemerkt, aber auch eine gewisse Angst, die ihr Sorgen machte. Sie fragte sich, welchem Geheimnis sie oder ihre Großmutter zu nahe gekommen waren?
11
Eine kreisrunde, von h ohen, weißen Bäumen umgebene Lichtung, die gut dreihundert Schritt durchmaß, bildete den Versammlungsplatz des Volkes, das sich selbst Runi oder, nach dem weißen Gott Meandir, Meanruni nannte. Im Zentrum des Kreises erhob sich ein einzelner Baum, dessen mächtiger Stamm nicht einmal von zwanzig Leuten, die sich an den Händen hielten, umfasst werden konnte. Dieser Baum überragte den ihn umgebenden Wald um mehr als das Doppelte und bildete mit seinen silbernen Ästen und Zweigen ein mächtiges Dach, das selbst bei stärkstem Regen den Versammelten Schutz bot. Der Durchmesser der Krone mochte einhundertfünfzig Schritt betragen, und in ihr funkelten Millionen handtellergroße, weiße Blätter. Aber im Gegensatz zu allen anderen Bäumen stand dieser nicht in Blüte.
Als Hekerenandil das Rund betrat, hatten sich bereits mehrerehundert ihres Volkes dort versammelt, die aber nur gedämpft und zögernd ihre Gedanken austauschten. Am Fuß des heiligen Baumes saß die Königin auf einem schlichten Stuhl, und neben ihr stand Sianderilneh mit einer Miene, als sei sie diejenige, die hier zu bestimmen habe. Hekerenandil und ihre Tochter schritten über das weiche, weiße Gras der Lichtung und verneigten sich vor dem Baum, bevor sie sich der Königin zuwandten und diese mit einem ehrerbietigen Gruß bedachten. Ihrer Cousine, die ebenfalls zu erwarten schien, auf ähnliche Weise begrüßt zu werden, schenkten sie keine Beachtung.
Dieses Verhalten erregte allgemeine Aufmerksamkeit. Während Sianderilneh Mutter und Tochter grimmig, aber auch irritiert anstarrte, trat eine Runi, in deren silbernen Augen sich Jahrtausende widerspiegelten, auf Hekendialondilan zu und schloss sie in ihre Arme.
»Wie geht es dir, Liebes? Ich freue mich, dich zu sehen. Doch was muss ich fühlen? Schmerz und beinahe den Tod!« Die ältere Runi keuchte erschreckt auf und sah sich um, als erwarte sie, das Verhängnis auch auf sich zukommen zu sehen.
»Was ist geschehen?« Die Königin sprang auf, zog Hekendialondilan an sich und legte ihr die Hände auf die Schläfen. Als sie Mera und deren Freunde in der Erinnerung der jungen Runi entdeckte, zog sie tadelnd die Augenbrauen hoch. Dann sah sie, wie das Mädchen von einem Pfeilbusch beschossen wurde, und ihr Gesicht erstarrte in einer Mischung aus Zorn und Furcht.
»Greift der Feind bereits nach unseren Wäldern?«, fragte sie erregt.
»Es war nicht der, den du vermutest. Sieh genauer hin! Dann wirst du erkennen, wer diesen verderblichen Zauber geschaffen hat!«
Hekerenandils Gedankenstimme klang hart, und es lag ein Vorwurf darin, der alle erschütterte. Die Königin befolgte den Rat, konzentrierte sich und begann zu zittern.
»Sianderilneh, warum hast du das getan? Beinahe wäre die einzige unseres Volkes, die erst vor wenigen hundert Jahren geboren wurde, ein Opfer deines Zaubers geworden. Welche Schande hättest du damit über uns gebracht? Nur durch die Hilfe einer blauen Heilerin hat das jüngste Kind unseres Volkes überlebt!«
Tränen liefen ihr über die Wangen, und sie presste Hekendialondilan so fest an sich, dass das Mädchen kaum noch atmen konnte.
Sianderilneh fand sich im Zentrum empörter Blicke wieder, doch ihr Gesicht drückte nur Unverständnis und ein gewisses Gekränktsein aus. Mit einer aufgebrachten Geste trat sie nach vorne und streckte ihre Hände nach Hekendialondilan aus, um in der Erinnerung des Mädchens zu lesen. Doch ehe sie sie anfassen konnte, stieß Hekerenandil sie zurück. »Rühr meine Tochter nicht an!«
Dieser Ausbruch erschreckte die anderen.
»Seid friedlich!«, mahnte Reodhilan, die älteste der anwesenden Runi die beiden Frauen, denn die Cousine der Königin sah so aus, als wolle sie sich diese Zurückweisung nicht bieten lassen und handgreiflich werden. Doch Sianderilneh fasste sich schnell wieder, um den Unmut der anderen nicht noch mehr zu erregen.
Ein Runi nach dem anderen kamen nun herbei, umarmte Hekendialondilan und fühlte in ihrer Erinnerung die tobenden Schmerzen und den kurzen
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