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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Moment der Todesangst. Wenn sie das Mädchen losließen, bedachten sie Sianderilneh mit kalten oder verächtlichen Blicken.
    Schließlich erlöste Menanderah ihre Cousine, die mit geballten Fäusten dem Geschehen zusah, indem sie ihr den Teil der Gedanken, die sie bei dem Mädchen gespürt hatte, übertrug. Dennoch dauerte es noch eine Weile, bis das Wissen, das Sianderilneh tief in sich verborgen hatte, wieder zum Vorschein kam und sie das, was geschehen sein musste, Stück für Stück zusammensetzen konnte.
    »Dieses neugierige kleine Stück hätte sich nicht in meine Angelegenheiten mischen dürfen!«, sendete sie in ihrer Wut, so dassalle es verstehen konnten. Die Worte kamen aus ehrlichem Herzen, wurden von den anderen jedoch nicht gut aufgenommen.
    »Einen Zauber zu weben, der eine andere Runi gefährden oder gar töten kann, ist ein Frevel gegen unsere Gemeinschaft. Du wirst dich verteidigen müssen«, erklärte Reodhilan, deren Recht es war, ihre Stimme noch vor der Königin im Rat zu erheben.
    »Es muss mit diesen Menschen zu tun haben. Sie haben den Schutzzauber verändert. Ich selbst hätte ihn nie so gewoben, dass er gegen eine von uns wirkt«, verteidigte sich Sianderilneh.
    Einige ihrer Gefolgsleute nickten und sendeten Zustimmung.
    Hekerenandil winkte verächtlich ab. »Du warst schon immer gut darin, deine eigenen Fehler anderen in die Schuhe zu schieben, und wenn es nach dir ginge, dürften wir alle nur noch deiner Meinung sein. Du allein hast die Vision unserer Königin so ausgelegt, als ob der Hofmagier von Ilyndhir und die Hexe Merala eine Gefahr für uns darstellten, und du hast die Menschen entführt, ohne den Großen Rat zu befragen. Beide werden ihrem Volk im Krieg gegen Gurrland fehlen, und das wird den Ilyndhirern daher mehr Opfer abverlangen, als sonst nötig gewesen wären!«
    »Es sind doch nur Menschen!«, antwortete Sianderilneh achselzuckend.
    »Menschen, denen wir helfen und die wir beschützen sollten!«
    »Sollen wir vielleicht in unsere Rüstungen steigen und die Schwerter für sie schwingen? Die Zeiten sind vorbei! Unser Volk hat einmal für dieses Lumpenpack gekämpft und beinahe mit seiner Existenz dafür bezahlt. Unsere Zahl ist geschmolzen wie Schnee im Frühling, und viele Runi mussten in der Blüte ihres Lebens den Weg zu Meandirs Seelendom antreten. Heutzutage können wir keinen Krieg mehr mit Schwertern gewinnen!«
    Für diese Rede erhielt Sianderilneh viel Beifall. Auch wenn ihr die meisten im Rat Hekendialondilans Verletzung übel nahmen, so sprach sie ihnen doch aus der Seele.
    »Wir haben damals nicht die Schwerter geschwungen, um dieMenschen zu retten, sondern unser eigenes Volk!« Hekerenandils Gedankenstimme schwang klar und eindringlich über den Versammlungsplatz. Bisher hatte sie nur wenige Runi überzeugen können, dass Sianderilnehs Weg falsch war. Nun hoffte sie auf einen Umschwung. Sie trat in den Kreis, hob die Hand und wob einen Zauber, der ihre Gedanken zu Bildern werden ließ, die alle sehen konnten.
    »Vor mehr als tausend Jahren lebten Runi zweier Farben in diesem Archipel: die Meanruni auf dieser Insel, und die Talruni, deren Farbe Gelb war und die Talien als ihren Herrn ansahen, auf jenem Eiland, das heute Gurrland genannt wird. Beide Völker beschützten die Menschen auf den übrigen Inseln.« Die Bilder wechselten in rascher Folge, und bis auf Hekendialondilan und einige wenige weitere Runi, die zu jung waren, um jene Zeiten erlebt zu haben, seufzten alle bei der Erinnerung an jene glückliche Zeit.
    Nun aber verdüsterte sich Hekerenandils Stimme, und die Bilder zeigten schwarze Schiffe, darunter ein Monster aus Stahl, erbaut und angetrieben durch giftige Magie. Breite, wuchtige Gestalten in schwarzen Rüstungen verließen die Schiffe und stürmten ein mit gelben Blüten übersätes Eiland.
    Die unter ihrem heiligen Baum versammelten Runi weinten, als sie sahen, wie die Feinde ihre Verwandten dort erschlugen, den heiligen Baum zerstörten und an der gleichen Stelle Hallen und Kavernen errichteten, in die sie jenes schwarze Artefakt hineinschafften, das als Feuerthron bekannt wurde.
    »Erinnert euch: Unser südliches Brudervolk wurde überrannt und bis auf wenige Verbleibende, die sich uns angeschlossen haben, vernichtet.« Hekerenandil neigte ihr Haupt vor Reodhilan und mehreren anderen Runi, unter deren Weiß noch Spuren von gelber Magie zu spüren waren.
    »Der Anführer unserer Feinde war Wassuram, ein gewaltiger Magier der Schwärze, und sein

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