Der Feuerthron
schon jetzt halb vor Angst um die Ehre unseres Volkes und quält sich in der Furcht, ihr Bruder würde auch Runia unterwerfen und unserem Volk ein Ende bereiten.«
»Es muss schwer für sie sein, mit diesem Wissen zu leben«, sagte Hekendialondilan voller Mitleid.
»Sie ist schwächer als ihre Mutter und steht zu stark unter dem Einfluss ihrer Cousine. Die beiden werden unser Volk zugrunde richten, bevor der Verräter es vermag!« Hekerenandil merkte, dass ihre Worte zu düster klangen, und versuchte sie durch eine Geste und ein Lächeln zu entschärfen.
»Deine blaue Freundin könnte unsere letzte Hoffnung sein, um doch noch alles ins Gleichgewicht zu bringen. Zumindest deutet die Prophezeiung der Königin meiner Meinung nach darauf hin. Menanderah und Sianderilneh versteifen sich zu sehr auf den ersten Teil und vermögen nicht, dem Rest einen Sinn zuzumessen.«
Die Runi schwieg einen Augenblick, um ihre Gedanken zu sammeln, und sprach dann jene Worte, welche die Königin und mit ihr das gesamte Volk von Runia so erschreckt hatten.
»Die blaue Hexe wird die Schmach der Runi erkennen
und ihre Lügen durchschauen!
Vor ihr werden die Runi das Gesicht verlieren
und sich mit Schande bedecken.
Ihr Schwert ist das Feuer,
das heißer brennt als der Schmiedeherd.
Sie wird dem Runi die Maske entreißen
und tiefer sehen, als je ein anderer es tat.«
»Das verstehe ich nicht«, erklärte Hekendialondilan.
»Ich glaube kaum, dass irgendjemand diese Verse ganz versteht. Ich tue es auch nicht«, bekannte ihre Mutter. »Vielleicht setze ich auch nur zu viel Hoffnung hinein, und die Königin und Sianderilneh haben recht, darin unser Verhängnis zu sehen. Ich klammere mich jedoch an das Feuerschwert, das heißer sein soll als das eines Schmiedes, und daran, dass ›dem Runi‹ die Maske entrissen werden soll. Wären diese Worte auf unser Volk bezogen, hätte es ›den Runi‹ heißen müssen. Es gibt aber nur einen männlichen Runi, der bedeutend genug ist, in einer Vision genannt zu werden, und der sitzt in Gurrland auf dem Feuerthron.«
»Aber was hat das mit dem Feuerschwert zu tun, von dem du sprichst?« Hekendialondilan wirkte verwirrt. Sie hatte an diesem Tag schon zu viel Wissen aufnehmen müssen, um sich jetzt noch mit Rätseln herumzuschlagen.
Ihre Mutter zog sie ganz nahe zu sich heran, als hätte sie Angst, der Wind könnte sie belauschen. »Als wir damals den schwarzen Magier Wassuram niedergerungen haben, stritt ein Geschöpf auf unserer Seite, das Arghan genannt wurde. Es war eines jener riesigen vierfüßigen Wesen, die Feuer speien und Felsen schmelzen konnten. Es gab nie viele von ihnen, und heutzutage berichten nur noch Lieder von ihrer Existenz. Sie waren sehr klug und gaben oft weisen Rat.
Der Arghan hat das Tor der feindlichen Festung aufgebrochen und den Feind in hartem Kampf getötet. Dabei wurde er jedoch schwer verletzt und hat uns verlassen, um seine Wunden an einem besonders magischen Ort heilen zu lassen. Zu unserem Unglück ist er nie zurückgekommen. Erst nach seinem Verschwinden haben wir zu unserem Entsetzen festgestellt, dass die Kristalle, aus denen der Feuerthron besteht, nur durch die Flammen eines Arghanzerstört werden können. Wir selbst vermochten den Thron nur in seine Einzelteile zu zerschlagen – schwarze Stücke von nicht einmal Faustgröße – und diese in alle Winde zu verstreuen. Jetzt, tausend Jahre später, ist der Feuerthron wieder hergestellt, und der Kampf beginnt aufs Neue. Nur sind wir viel schwächer als damals, und der Feind weiß genau, wie wir denken und handeln. Daher kennt er unsere Schwächen und wird seine Pläne danach ausrichten.«
»Du meinst, Mera könnte diesen Arghan finden und mit ihm zusammen den Herrn des Feuerthrons stürzen?« Hekendialondilan klammerte sich für einen Augenblick an diese Hoffnung, sah ihre Mutter dann aber niedergeschlagen an. »Sianderilneh wird verhindern, dass Mera Runia verlassen kann.«
»Nicht, wenn wir rasch handeln. Deshalb will ich dir auch diesen Schwur abnehmen. Ich möchte nicht, dass es einmal heißt, meine Tochter habe das Geheimnis der Runi enthüllt. Mera muss es selbst herausfinden. Du darfst ihr dabei nicht helfen. Allerdings wirst du sie und ihre Freunde von Runia fortbringen und dafür sorgen, dass das Hexenmädchen unbeschadet zu seinen Leuten gelangt. Dort werden ihre Fähigkeiten derzeit dringend gebraucht.«
Hekendialondilan nickte. »Also gut, ich schaffe sie von der Insel. Aber es muss noch heute
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