Der Feuerthron
aufgeschwungen und begann so zu handeln, als sei Wassuram selbst zurückgekehrt. Er unterwarf die Gurrländer auf magischem Weg, formte aus ihnen eine unbezwingbare Armee und machte sich daran, die Nachbarinseln zu erobern. Inzwischen stehen seine Heere auf Gelonda und bereiten sich auf die entscheidende Schlacht vor. Zwar sind die noch freien Menschen ein Bündnis gegen ihn eingegangen, doch sie werden unterliegen.«
Menanderah verströmte Trauer und steckte alle mit ihrer Verzweiflung an. Selbst Hekendialondilan fühlte das Grauen, welches in den meisten Runi wühlte, aber ihr Gemüt wallte rebellisch auf. »Wenn einer von uns die Menschen bekämpft, ist es unsere Pflicht, uns gegen ihn zu stellen und die anderen Völker zu beschützen!«
Sianderilneh warf abwehrend ihre Hände hoch. »Ich sagte doch, dass wir dazu nicht in der Lage sind. Nur hier auf Runia, geschützt vom Zauber unserer eigenen Insel können wir die gurrländischenHeere abwehren und den entscheidenden Schlag gegen den Verräter führen!«
»Aber ...«, begann Hekendialondilan, doch die Königin schnitt ihren Gedanken ab. »Meine Cousine hat recht. Nur hier können wir uns dem Herrn des Feuerthrons mit Aussicht auf Erfolg stellen. Für die Menschen mag es schmerzhaft sein, doch hinterher werden sie die Freiheit umso mehr zu schätzen wissen.«
»Dann lasst wenigstens Meras Großmutter frei«, bat das Mädchen.
»Nein! Sie würde wissen, wer sie entführt hat, und sich danach genau die Frage stellen, deren Antwort niemand außerhalb von Runia erfahren darf. Die blaue Hexe würde uns an dem einen messen, der uns verraten hat, und unseren Worten misstrauen. Es tut mir leid!« Die Königin senkte den Kopf, während um die Lippen ihrer Cousine ein harter Zug erschien.
»Aus diesem Grund müssen die vier Menschenkinder, die ich bereits gefangen und eingesperrt hatte, ebenfalls in das magische Gefängnis gesperrt werden, das schon die beiden anderen beherbergt. Entkommen sie, wird unser Geheimnis ebenfalls offenkundig.«
»Das könnt ihr nicht tun!«, rief Hekendialondilan empört.
»Es ist notwendig«, beharrte Sianderilneh und blickte ihre Cousine herausfordernd an.
Menanderah stand mit gesenktem Kopf vor dem Mädchen und streichelte ihr Gesicht. »Du musst mich verstehen, Kleines. Der, der uns verraten hat, ist mein Bruder, ein Spross des edelsten Stammes unseres Volkes. Erführen die Menschen, dass einer von uns dieses Elend über sie gebracht hat, wäre es mein Tod.«
Hekendialondilan wollte sagen, dass eine Runi wie sie zu mächtig sei, um so lange vor ihrer Zeit den Weg zu Meandirs Seelendom anzutreten, doch als sie in Menanderahs Augen blickte, wurde ihr klar, dass die Königin die Wahrheit sagte. Die Scham würde Menanderah die besonderen Kräfte rauben, die sie benötigte, um denHeiligen Baum am Leben zu halten und mit dem Volk der Runi zu verbinden. Das aber wäre nicht nur ihr Ende. Da es keine andere Runi mit ihren Kräften gab, würde nach Menanderahs Tod nicht nur der Heilige Baum, sondern auch das Volk der Runi dahinsiechen und sterben.
Ihre Mutter legte ihr die Hand auf die Schulter. »Lass es gut sein, Tochter. Es gibt Dinge, die man nicht ändern kann. Ich habe meine Gründe genannt, die für eine Freilassung der Hexe und des Magiers sprechen, und sie wurden verworfen. Wir können nichts mehr für sie erreichen.«
Es klang resignierend, und doch horchte Hekendialondilan auf. Aber sie behielt ihre Gefühle und Gedanken sorgsam für sich und verneigte sich vor der Königin und der ältesten ihres Volkes. Nur Sianderilneh schenkte sie nicht die ihrem Rang gebührende Beachtung, sondern schritt Hand in Hand mit ihrer Mutter davon.
12
Nachdem Hekerenandil und i hre Tochter das Rund verlassen hatten, ballte Sianderilneh die Rechte zur Faust. »Wir sollten uns so rasch wie möglich der fremden Kinder bemächtigen!«
Die Königin blickte sie erstaunt an. »Du kannst nicht den Frieden von Hekerenandils Heim brechen, um sie dort gefangen zu nehmen!«
In ihren Worten schwang eine Warnung mit, die Gesetze des Volkes nicht weiter zu verletzen.
Da auch einige andere Runi ihren Unmut äußerten, hob Sianderilneh beschwichtigend die Hände, verabschiedete sich dann und verließ ebenfalls die Versammlung. Sie wusste, was sie zu tun hatte, aber das durfte niemand hier erfahren, auch die Königin nicht. DerSchutz des Geheimnisses stand über allem, auch über den Regeln und Gesetzen von Runia, denn es war ihre vornehmste Pflicht,
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