Der Findling
die Erzeugnisse der andern Länder aus, um sie in der weiten Welt abzusetzen.
– Auch wieder theurer, Pat?
– Allemal etwas theurer, wenn das zu ermöglichen ist.«
Derartige Fragen des Knaben mußte Pat nun immer beantworten. Leider und zur großen Betrübniß aller nahte jetzt die Zeit heran, wo er in Liverpool wieder eintreffen mußte.
Am 30. September nahm er Abschied und als er sich von allen, die er liebte, trennte, wußte ja keiner, wie lange man ihn nicht wiedersehen würde. Er versprach jedoch, oft zu schreiben. Alle drückten ihn herzlich in die Arme. Der Großmutter standen die Augen voll Thränen, sie fürchtete ja bei ihrem hohen Alter, daß sie ihn vielleicht nicht mehr vor dem Spinnrade am Kamin und in der Mitte ihrer Kinder wiederfinden werde, wenn sie auch jetzt, ebenso wie die ganze Familie, gesund und wohlauf war. Für den Winter, dessen Vorboten sich bereits einstellten, war nach diesem sehr fruchtbaren Jahre auch nichts zu fürchten. Zu seinem älteren Bruder wendete sich Pat mit den Worten:
»Sei doch nicht immer so sorgenvoll und nachsinnend, Murdock! Mit Muth und gutem Willen ist alles zu überwinden….
– Gewiß, Pat, wenn man nur etwas Glück hat. Dem Glücke aber kann keiner befehlen. Sieh, Bruder, immerfort einen Boden zu bearbeiten, der nicht Dir eigen ist und es nie sein wird, und überdies sich gar so sehr vom Ausfall der Ernte abhängig zu wissen… daran werden Muth und guter Wille zuschanden!«
Pat hätte nicht gewußt, was er dagegen anführen sollte, doch als er dem älteren Bruder zum letzten Male die Hand reichte, flüsterte er ihm noch zu:
»Verliere nur das Vertrauen nicht!«
Der junge Seemann wurde bis nach Tralee zu Wagen befördert, wobei sein Vater, seine Brüder und Findling ihm das Geleit gaben und letzterer sich recht traurig von jenem verabschiedete. Dann entführte ihn der Bahnzug nach Dublin, von wo aus er sich mit einem Dampfer nach Liverpool begeben wollte.
In den folgenden Wochen gab es auf der Farm noch tüchtig zu thun. Zunächst mußte die eingeheimste Ernte ausgedroschen werden und dann hatte Martin die Märkte der Nachbarschaft zu besuchen, um seine Vorräthe, unter Zurückbehaltung des Samengetreides, zu verkaufen.
Diese Verkäufe interessierten den Knaben ungemein und deshalb nahm ihn der Farmer auch dazu mit. Gierig nach Gewinn war Findling aber keineswegs, nur sein Instinct wies ihn immer und immer wieder auf den Handel hin. Im übrigen begnügte er sich mit dem Kieselstein, den ihm Martin nach Verabredung jeden Abend einhändigte, und er freute sich, seine Schätze wachsen zu sehen. Der irischen Rasse ist übrigens die Sucht nach Gewinn im allgemeinen angeboren. Die Bewohner des Grünen Erin verdienen einmal gerne Geld, wenn das in ehrlicher Weise möglich ist. Und wenn der Farmer etwa auf dem Markte in Tralee ein gutes Geschäft gemacht hatte, freute sich Findling ebenso herzlich darüber, als wenn das ihn selbst angegangen wäre.
October, November und December verliefen recht gut. Die Arbeiten waren längst beendigt, als sich der Einholer des Pachtzinses am Abende vor Weihnachten in der Farm von Kerwan einstellte. Das Geld für ihn lag bereit; doch als dieses erst gegen eine regelrechte Quittung ausgetauscht war, blieb auf der Farm fast keines mehr übrig. Um es nicht mit anzusehen, wie dieses mit saurem Schweiße gewonnene Geld aus dem Hause ging, hatte sich Murdock sofort zurückgezogen, als der Einholer nur sichtbar wurde. Immer hatte er die Unsicherheit der Zukunft vor den Augen. Zum Glück war für den Winter gesorgt und die Vorräthe gestatteten auch, die Arbeiten im Frühlinge ohne weitere Auslagen wieder aufzunehmen.
Man sah Findling ein Feld besäen. (S. 170.)
Mit dem neuen Jahr trat sehr strenge Kälte ein, die jeden ans Haus fesselte, wo es an Arbeit übrigens nicht fehlte. Mindestens war doch für die Pflege und die Ernährung der Thiere zu sorgen. Findling war vor allem der Hühnerhof anvertraut, und auf ihn konnte man sich ja verlassen. Hühner und Küchlein wurden ebenso sorgsam gepflegt, wie über sie Buch geführt. Inzwischen vergaß der Knabe auch nicht, daß er ein Pathenkind hatte, und wie freute er sich allemal, Jenny in die Arme zu nehmen, sie lächeln zu machen, indem er die Kleine anlachte, und sie in der Wiege einzuschläfern, wenn ihre Mutter beschäftigt war.
Ein Pathe ist fast so viel wie ein Vater, und er betrachtete das zarte Kind als seine Tochter. Für sie entwarf er hochfliegende Pläne. Sie
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