Der Findling
sollte keinen andern Lehrer haben als ihn. Er wollte ihr erst reden, dann schreiben und endlich haushalten lehren.
Findling hatte von dem gelegentlichen Unterrichte Martins und seiner Söhne, vor allem Murdocks, viel profitiert. Jetzt war er weiter vorgeschritten als bis zu dem Punkte, wohin Grip ihn gebracht hatte… der arme Grip, der seine Gedanken unausgesetzt beschäftigte….
Der Frühling setzte nach recht hartem Winter nicht allzuspät ein. In Begleitung seines Freundes Birk gab sich der junge Schäfer wieder der gewohnten Beschäftigung hin.
Unter seiner Leitung zogen Schafe und Ziegen wieder auf die Weideplätze in einmeiligem Umkreis von der Farm. Immer schmerzte es ihn, sich an den andern Feldarbeiten, die freilich mehr Kräfte erforderten als er besaß, noch nicht betheiligen zu können. Zuweilen klagte er darüber gegen die Großmutter, und diese antwortete dann tröstend:
»Geduld… das wird auch noch kommen….
– Doch könnt’ ich inzwischen nicht wenigstens ein Feld besäen?
– Würdest Du das so gern versuchen?
– O gewiß, Großmutter! Wenn ich Murdock oder Sim den Arm wiegend und regelmäßig fortschreitend die Samenkörner auf die Erde streuen sah, da trieb mich’s immer, es ihnen nachzuthun. Es ist eine so schöne Arbeit und so interessant zu denken, daß aus diesen Körnern Halme, lange, lange Halme hervorgehen. Wie kann das nur zustandekommen?…
– Ich weiß es nicht, mein Kind; doch Gott weiß es ja, das muß uns genügen.«
Infolge dieses Gespräches sah man Findling wenige Tage darauf ein wohlvorgerichtetes Feld recht geschickt mit Hafer besäen, was ihm manchen Lobspruch Martin Mac Carthy’s einbrachte.
Als dann die zarten Keime hervorsproßten, war er vom frühesten Morgen an zur Stelle, seine zukünftige Ernte gegen die diebischen Krähen zu vertheidigen, indem er diese mit Steinwürfen verjagte. Es sei auch nicht unerwähnt gelassen, daß er am Tage der Geburt Jennys mitten im Gutshofe eine kleine Tanne gepflanzt hatte, in der Hoffnung, beide, Bäumchen und Säugling, fröhlich aufwachsen zu sehen. Auch diese noch zarte Pflanze mußte er sorgsam gegen die Vögel schützen. Jedenfalls sollten Findling und die schädlichen Thiere nie gute Freunde werden.
Im Sommer 1880 gab es auf den Fluren Westirlands überall recht harte Arbeit. Die Witterungsverhältnisse erwiesen sich für den Ertrag des Bodens höchst ungünstig. In den meisten Grafschaften blieb die Ernte hinter der des Vorjahrs weit zurück. Eine Hungersnoth war aber vollkommen ausgeschlossen, denn wenigstens versprachen die Kartoffelfelder einen reichen, wenn auch etwas verspäteten Ertrag, und damit mußten sich die Leute wohl zufrieden geben, denn Korn, Weizen, Gerste und Hafer erntete man kaum zur Deckung des Bedarfs im eignen Lande. Das schnellte zwar die Getreidepreise in die Höhe, die Pächter zogen davon aber keinen Vortheil, da sie nichts zu verkaufen hatten und kaum den Samen für das nächste Jahr übrig behielten. Selbst die, die früher einen Sparpfennig zurücklegen konnten, sahen diesen für die Staatsabgaben allein hinschwinden, und dann blieb wieder nichts übrig, um den schwerlastenden Pachtzins zu decken.
Die nationale Bewegung erhielt hierdurch fast überall einen neuen Anstoß, wie das stets der Fall war und ist, wenn sich eine Wolke des Unglücks über das irische Land senkte. An vielen Orten erhob man schwere Klage und lebten die Hetzereien der agrarischen Liga wieder auf. Gegen die Besitzer des Bodens wurden maßlose Drohungen laut, ob diese nun Fremde waren oder nicht, denn bekanntlich werden in Irland die englischen und schottischen Landlords als Fremdlinge betrachtet.
Im Juni dieses Jahres riefen die schon Hungernden in Westpoint: »Laßt Euch nicht von Euern Farmen vertreiben!« und die durch das Land gehende Parole lautete: »Den Grund und Boden für die Bauern!«
In den Gebieten von Donegal, Sligo und Galway kam es zu wirklichen Unruhen. Auch Kerry blieb davon nicht frei. Voller Angst sahen die Großmutter. Martine und Kitty Murdock mit Einbruch der Nacht gar zu oft die Farm verlassen, wo er dann erst, abgespannt von den Strapazen des Wegs, am frühen Morgen wieder erschien. Düstrer und verbitterter als vorher kam er von den in den Hauptorten veranstalteten Meetings zurück, wo man den hellen Aufruhr predigte, eine Erhebung gegen die Landlords und den allgemeinen Boycott empfahl, der die Besitzer zwingen würde, ihr Land brach liegen zu lassen.
Am meisten steigerte die Furcht
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