Der Findling
Wir werden’s ja sehen! erwiderte der Geistliche. Fahrt nur fort, Pat.«
VII.
Am nächsten Morgen leuchtet
Die Sonn’ in voller Pracht.
Am Himmel leichte Wölkchen –
Nachzügler von der Nacht.
Wenn die Gefahr vorüber,
Wer denkt dann noch daran?
Schon tummeln sich die Fischer
Am Hafen Mann für Mann.
Und jedes Boot beeilt sich;
Jetzt zieh’n sie Bord an Bord,
Gleich fröhlicher Regatta,
Zum neuen Fange fort.
»Und John Playne? fragte Findling, sehr besorgt um den Trunknen, der, das Sacknetz nachschleppend, eingeschlafen war.
– Nur Geduld! mahnte ihn Martin.
– Ich habe auch Angst um ihn!« setzte die Großmutter hinzu.
VIII.
Du… was ist dort geschehen?
Das erste Fahrzeug weicht
And dem gewohnten Curse,
Wo’s bald das Ziel erreicht.
Und seiner Fährte schließen
Die andern all’ sich an;
Grundlos wich nicht der Führer
Aus der gewohnten Bahn.
Ging wohl ein Boot verloren,
Im tollen Sturm der Nacht?
Hat einem Fischersmanne
Er’s nasse Bett gemacht?
Da seht!… Es treibt ein Fahrzeug
Gekentert auf dem Meer,
Den Kiel nach oben schwankt es
Und steuerlos umher.
»Gekentert! rief Findling entsetzt.
– Gekentert!« wiederholte die Großmutter.
IX.
Geschwind nun an die Arbeit!
Erst zieht das Sacknetz ein
Und legt es Masch’ um Masche
Ins nächste Boot hinein.
Schon sieht man nerv’ge Hände
Am Tau des Netzes ziehn
Und in dem Boot es bergen…
Ein Leichnam hing darin.
Und diese düstre Seetrift,
Entrissen jetzt dem Meer,
Sie war bisher John Playne,
Der Fischer und Kromer.
X.
Nicht mehr von ihm gesteuert,
Kam quer sein Boot zum Wind;
Das große Segel drückt’ es
Dann nieder wie ein Kind.
Gott sei der Seele gnädig
Des armen, trunknen Narrn!…
Hier fing sich ja der Fischer
In seinem eig’nen Garn.
O, welch ein graus’ger Anblick!
Als man herein ihn zog,
Trotz viel verschluckten Wassers,
Schien ex betrunken noch!
»Der Unglückliche! rief die mitleidige Martine.
– Wir werden für ihn beten!« erklärte die Großmutter.
XI.
Nun frisch uns Werk, ihr Leute,
Wir schaffen ihn ans Land,
Dort mag ein Grab er finden,
Doch nicht zu nach am Strand.
Legt ihn dahin, wo nicht mehr
So viel er trinken kann,
Und stellt nur Glas und Flasche
Aus Grab als Warnung an….
So endete John Playne,
John Playne uns Kromer.
Doch schon setzt ein die Ebbe,
Ihr Fischer, rasch aufs Meer!
Die Stimme Pats klang wie eine Trompete, als er den letzten Vers des traurigen Liedes sang. Auf die Tischgäste hatte dieses einen so mächtigen Eindruck gemacht, daß sie sich – als Zugabe auf zehn tüchtige Gläser – begnügten, nur noch einen Schluck auf die Gesundheit eines jeden zu trinken. Dann trennte sich die Gesellschaft mit dem Vorsatze, es John Playne nie gleich zu thun… nicht einmal auf dem festen Lande.
Vierzehntes Capitel.
Am Alter von kaum neun Jahren.
Als der große Festtag vorüber war, ging man auf der Farm wieder an die gewohnte Feldarbeit. Pat merkte gewiß nichts davon, daß er einen Urlaub zur Erholung angetreten hatte. Die Seeleute sind ja immer tüchtige Arbeiter, auch wenn sie nicht draußen schwimmen. Pat war gerade zur Erntezeit eingetroffen, und nach dem Getreide war jetzt noch das Gemüse einzufahren. Findling wich fast niemals von der Seite Pats, der jenem eine aufrichtige Freundschaft entgegenbrachte… die Freundschaft des Matrosen für den Schiffsjungen. Nach beendetem Tagewerke und wenn sich alle zum Abendbrode versammelt hatten, war es für Findling die größte Freude, den jungen Seemann erzählen zu hören, wenn dieser über seine Reisen, über allerlei Ereignisse, über die Stürme, die der »Guardian« bestanden, und über so manche schnelle und herrliche Fahrt berichtete. Am meisten interessierte er sich aber für die reiche, der Firma Marcuart zugeführte Fracht, für die Schätze, die der Dreimaster nach Europa heimgebracht hatte. Die Handelsangelegenheiten ließen in seinem praktischen Geiste eine darauf abgestimmte Saite erklingen. Seiner Ansicht nach stand der Rheder weit höher als der Capitän.
-Also das nennt man wohl Handelsgeschäfte treiben, Pat? fragte er.
– Ja; man holt die Erzeugnisse aus den Ländern, wo Natur oder Menschenhand sie hervorbringt, und verkauft sie da, wo das nicht der Fall ist.
– Und theurer, als man sie eingekauft hatte?…
– Natürlich… man muß doch etwas erübrigen. Dann führt man wieder
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