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Der Findling

Der Findling

Titel: Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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der Ihrigen bedroht zu sehen. natürlich noch verschlimmert. Das war mehr als sie aushalten konnte und bereitete der ganzen Familie recht schmerzliche Unruhe.
    Im April wurde die Temperatur wieder normaler und stieg endlich über den Gefrierpunkt. Der Erdboden brauchte aber noch die ganze Wärme des Mai, um seiner Eiskruste ledig zu werden, und zur Einsaat war es also schon spät, sehr spät. Die Futterkräuter konnten vielleicht noch gedeihen, die Getreidearten aber schwerlich reif werden.
     

    Indem er die Wiege mit fortschleppte. (S. 179.)
     
    So dachte man schon daran, das Saatkorn nicht unnütz zu verwenden und sich lieber des Anbaues von Gemüse und Knollenfrüchten zu befleißigen, deren Ernte im October zu erwarten war, – vorzüglich der Kartoffeln, durch die das Land wenigstens vor den Schrecken einer Hungersnoth bewahrt blieb.
    Nach der Schneeschmelze zeigte sich der Erdboden leider fünf bis sechs Fuß tief fest gefroren. Das war keine zerreibliche Erde mehr, sondern ein Humus von Granit, in dem keine Pflugschar eine Furche aufreißen konnte.
     

    Findling erwartete den Wolf festen Fußes. (S. 179.)
     
    Der Anfang der Feldarbeiten mußte bis zu den letzten Tagen des Mai hinausgeschoben werden. Die Erde schien alle Wärme verloren zu haben so langsam thaute die Schneedecke hinweg, und in den mehr bergigen Theilen der Grafschaft dauerte das gar bis in den Juni hinein.
    Der Beschluß, sich auf den Anbau von Kartoffeln zu beschränken und auf Getreide ganz zu verzichten, wurde ganz allgemein gefaßt. Was auf der Farm von Kerwan geschah, wiederholte sich in allen andern Farmen des Gebietes von Rockingham. Dieselbe Maßnahme beschränkte sich nicht allein auf die Grafschaft Kerry, sondern erstreckte sich auch über die Westirlands in Munster, wie in Connaught und Ulster. Nur die Provinz Leinster war eher frei von Schnee und hier konnte die Feldbestellung noch mit einiger Aussicht auf Erfolg vorgenommen werden.
    Die Folge war also, daß die schwergeprüften Pächter sich tüchtig anstrengen mußten, um die Felder für den Anbau von andern Früchten und Gemüsen in Stand zu setzen. In der Farm von Kerwan unterzogen sich Martin und seine Söhne dieser Arbeit, die für sie um so beschwerlicher war, weil es ihnen an Zugthieren fehlte. Nur ein einziges Gespann, von einem Pferde und dem Esel gebildet, stand ihnen zur Verfügung.
    Mit unausgesetztem Fleiße gelang es ihnen jedoch bei je zwölfstündiger Arbeit nach und nach einige dreißig Acres zu bepflanzen, freilich mit der Befürchtung, daß ein vorzeitiger Winter sie auch um die Frucht dieser Mühen bringen könnte.
    Da ereignete sich noch ein allen Gegenden Irlands gemeinsames Unglück. Gegen Ende des Juni brannte die Sonne so heiß, daß der noch auf den Bergen lagernde Schnee sehr schnell niederschmolz. Am schlimmsten hatte, ihrer vielverzweigten Wasserläufe wegen, hiervon die Provinz Munster zu leiden. In der Grafschaft Kerry steigerte sich das bis zur wirklichen Katastrophe. Die vielen Flüsse schwollen mächtig an und verursachten ausgedehnte Ueberschwemmungen. Viele Häuser fielen der Fluth zum Opfer. Ueberrascht von der plötzlich eintretenden Wassersnoth warteten die Bewohner derselben vergeblich auf Hilfe. Fast alles Vieh kam um, und gleichzeitig wurde die so mühsam vorbereitete Ernte vollständig vernichtet.
    In der Grafschaft Kerry verschwand ein Theil der Domäne Rockingham unter den Fluthen des Cashen.
    Vierzehn Tage lang blieb die Umgebung der Farm auf einen Umkreis von zwei bis drei Meilen in einen See verwandelt – in einen See mit wilden Strömungen, die entwurzelte Bäume, Trümmer von Hütten, abgehobene Dächer und auch die Cadaver der Thiere, deren die Bauern sehr viele verloren, in brodelndem Strudel mit sich fortrissen.
    Die Ueberschwemmung erstreckte sich bis zu den Scheuern und Stallungen der Farm, die davon fast gänzlich zerstört wurden. Trotz unmenschlicher Anstrengung gelang es, außer bezüglich einiger Schweine, nicht, die noch vorhandenen Thiere zu retten. Wurde das Wohnhaus auch von der Fluth nicht weggetragen, so reichte sie doch bis zum Niveau des Erdgeschosses heran, und auch dieses war in der schlimmsten Nacht recht schwer bedroht.
    Den Todesstoß aber erhielt das Land weithin durch die Vernichtung der erhofften Kartoffelernte, denn die Fluthen hatten auch die Setzkartoffeln herausgespült.
    Noch niemals hatte die Familie Mac Carthy auf ihrem Pachtgute eine solche Kette von Mißgeschick erlitten, niemals hatte sich

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