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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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nicht, Sie haben ja nicht einmal eine Frau. Und Sie wollen verstehen, was in mir vorgeht? Ich rate Ihnen eines, verschwinden Sie, hauen Sie ab, gehen Sie mir aus den Augen! Sie können sich überhaupt kein Bild davon machen, welche Konsequenzen das für Sie haben wird!«
    »Nathan hat Selbstmord verübt. Er hat sich an seinem Gürtel erhängt. Und vorher hat er mich ausdrücklich gebeten, allein gelassen zu werden. Ich konnte nicht ahnen, daß er sich umbringen wollte. Niemand hätte so etwas ahnen können.«
    »Sie trugen die Verantwortung für ihn. In jedem billigen Film sieht man, daß Gefangenen alles weggenommen wird, womit sie sich selbst Schaden zufügen könnten. Sie haben das unterlassen. Und deswegen werde ich Sie zerquetschen wie eine Kakerlake.«
    Engler hatte die ganze Zeit nur aufmerksam zuhörend dagestanden. Jetzt mischte er sich ein. »Frau Phillips, ich …«
    »Sie halten sich da gefälligst raus! Das ist eine Sache zwischen mir und diesem – Polizisten – hier!« Sie lachte schrill auf. »Ach, ich verstehe, er hat Sie als Verstärkung und Schutz mitgebracht! Er hat Angst, und wissen Sie was – er hat allen Grund, Angst zu haben!« Sie hielt inne, drehte sich um, holte eine Zigarette aus einem kleinen Schränkchen, zündete sie sich an, blies den Rauch Brackmann direkt ins Gesicht.
    »Wissen Sie, Brackmann, die sind nicht nur ein mieser kleiner Bulle, Sie haben auch einen Riesenfehler begangen – Sie haben sich nämlich soeben mit einer Vandenberg angelegt. Und was das heißt, können Sie sich nicht einmalin ihren schlimmsten Alpträumen ausmalen. Sie werden es büßen, Sie werden sich wünschen, nie geboren worden zu sein!«
    Brackmanns Haltung straffte sich, er sagte klar und verständlich: »Frau Phillips, es tut mir leid. Und Sie tun mir leid. Sie haben ja nicht einmal Trauer für Ihren Sohn übrig! Sie tun mir wirklich nur leid.« Brackmann wandte sich zum Gehen, faßte Engler am Arm. »Kommen Sie, wir haben hier nichts mehr verloren.«
    Die Tür war schon hinter ihnen zugefallen, sie befanden sich auf dem Weg zum Tor, als Frau Phillips ihnen nachgerannt kam. »Bitte warten Sie«, rief sie, preßte für einen Moment die Lippen aufeinander, die Schultern gestreckt, ihre Brustwarzen waren erigiert, sie trug keinen BH unter dem Kleid, es schien fast über ihre Kraft oder ihren Stolz zu gehen, die folgenden Worte auszusprechen: »Ich, ich, ich, habe . . . es nicht so gemeint. Ich weiß nicht, warum ich das alles gesagt habe. Es war der erste Schock. Verzeihen Sie, es war wirklich nur . . . ich meine, eine solche Nachricht . . . Ich habe es bestimmt nicht so gemeint . . . Ich möchte Sie jedoch um einen Gefallen bitten – machen Sie kein allzu großes Aufhebens deswegen. Bitte! Es wäre für alle Beteiligten besser, wenn wir die Sache stillschweigend hinter uns bringen könnten. Die Öffentlichkeit muß doch nichts davon erfahren, oder?«
    »Nein, Frau Phillips«, erwiderte Brackmann kühl, »das muß sie nicht. Auf Wiedersehen.«
    Die Doggen lagen auf dem Rasen, die Ohren gespitzt, mißtrauisch die Schritte der Fremden verfolgend. Auf halber Strecke zwischen Haus und Tor blieb Brackmann stehen, hob den Kopf, schaute zum Himmel hinauf, dessen Blau von Minute zu Minute eine Nuance dunkler wurde.
    »Diese Frau ist kalt bis ins Mark. Ich habe noch nie einen so eiskalten Menschen erlebt. Was glauben Sie, warum sie unsnachgekommen ist? Weil sie selbst Angst hat, sie hat so verfluchte Angst davor, daß Nathans Tat und sein Selbstmord bekannt werden könnte, daß sie bereit ist, alles und jede Lüge auf sich zu nehmen. Aber wissen Sie was, das soll nicht mehr mein Problem sein. Wegen mir soll Reuter einen falschen Totenschein ausstellen oder was immer . . . Mir ist das so egal.«
    Engler legte eine Hand auf Brackmanns Schulter. »Ich werde Ihnen jetzt etwas sagen. Frau Phillips ist eine Vandenberg. Alle Vandenbergs sind so. Ihr Verhalten wurde seit Generationen weitergegeben oder vererbt. Sie hat es nie anders gelernt. Und wir sollten bei allen negativen Gefühlen nicht vergessen, daß die Vandenbergs unendlich viel für Waldstein getan haben. Diese Stadt ist auf die Vandenbergs angewiesen. Gehen die Vandenbergs, geht die Stadt zugrunde. Ich glaube, ich habe es Ihnen schon einmal gesagt, hier gilt es, die Verhältnismäßigkeit der Dinge abzuwägen. Frau Phillips ist nicht schlecht, sie ist sowenig schlecht, wie die Vandenbergs an sich es sind. Sie sind lediglich anders. Ihre Moralvorstellungen

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