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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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setzen an erste Stelle das Geld, und dann erst kommt der Mensch.«
    »Verdammte Scheiße, Herr Pfarrer! Das ist wirklich ein großer Haufen höllisch stinkender Scheiße!«
    »Ja, ich weiß. Aber es ist nicht zu ändern.«
     
    Brackmann brachte Engler nach Hause, begab sich danach ins Büro. Schmidt hielt sich krampfhaft wach, auch Brackmann hätte jetzt alles für ein paar Stunden Schlaf gegeben. Davor ein Bad, ein gutes Essen, ein Bier, doch wie es aussah, würde dieser Wunsch frühestens gegen Mitternacht erfüllt werden. Er mußte unbedingt noch einmal bei Angela Siebeck vorbeischauen und dann, wenn noch Zeit war, einen Abstecher zu Reuter machen. Brackmann ging nach hinten zu den Zellen, der Fußboden war noch etwas feucht,Schmidt hatte gewischt, der beißende süßliche Geruch hing noch immer in der Luft.
    Als er wieder nach vorne kam, fragte er: »Hat Frau Siebeck angerufen?«
    Schmidt gähnte laut und streckte sich, holte sich ein belegtes Brot aus der Schublade, packte es aus. »Sie hat angerufen«, sagte er, während er das Papier herunterschob, »Sie sollen sie zurückrufen. Und hier«, fügte er noch hinzu und deutete auf einen Umschlag auf dem Tisch, »das ist die neueste Aufstellung über die Opfer. Die Toten vom Müllerhof sind aber noch nicht darunter . . .«
    »Ach ja, der Müllerhof«, sagte Brackmann und setzte sich Schmidt gegenüber. »Haben Sie Näheres in Erfahrung bringen können, was sich dort abgespielt hat?«
    »Sie haben dort letzte Nacht einen Hundekampf abgehalten. Mehr kann ich noch nicht sagen, denn die Verletzten, die was sagen könnten, schweigen wie ein Grab.«
    »Hundekampf? Hier in Waldstein? Wer war der Organisator?«
    »Ich sag doch schon, keine Ahnung! Die alte Kramer ist übrigens durchgedreht.«
    »Kramer?« fragte Brackmann und schüttelte den Kopf. »Ich kenne keine alte Kramer. Interessiert mich auch nicht.«
    »Klar kennen Sie die! Jeder kennt die alte Kramer. Sie war auch schon oft hier und hat gebettelt, für sich und ihren Mann, der angeblich krank im Bett liegt. Aber noch nie hat ihn einer zu Gesicht bekommen. Die Alte hat schon immer gesponnen, aber seit es ihr gestern nacht die Hütte überm Haupt weggerissen hat, ist sie endgültig durchgedreht.«
    »Und keiner der Überlebenden hat etwas von dem Unglück auf dem Müllerhof gemeldet, weil sie alle die Hosen gestrichen voll haben! Feine Leute!« Brackmann rieb sich über das rauhe unrasierte Kinn. Sein Hemd und seine Hose waren wieder einmal durchgeschwitzt, er hatte Durst undHunger, war erschöpft, wollte nur, daß dieser Tag zu Ende ging und er endlich einmal ausschlafen konnte.
    Er ging zu Fuß zu Angela Siebeck. Dämmerung hatte sich über dem Ort ausgebreitet, der Himmel war von dunklem Blau, der Abendstern funkelte im Westen. Ein friedlicher Abend, wäre da nicht der unvermindert anhaltende Lärm der Bautrupps gewesen. Armeelastwagen mit Schutt donnerten weiter über die Hauptstraße in Richtung Steinbruch, Ruinen wurden von den Grundstücken geräumt, es wurde bereits wieder mit dem Bau neuer Häuser begonnen, Motorsägen zerschnitten Bäume, die auf Laster geladen wurden, die ersten Dächer wurden notdürftig geflickt, Fenster repariert. Doch es gab Spuren, die würden nie beseitigt werden können. Die Schneiders, Frau Buchner und all die andern über hundertfünfzig Toten, die Schwerverletzten, von denen manche den Rest ihres Lebens Krüppel bleiben würden, die Erinnerung. Wer sie erlebt hatte, würde diese Nacht nie vergessen.

Kapitel 33
    Die ersten Momente des Erwachens waren eine Art Orientierungszustand. Georg Pickard brauchte eine Weile, bis seine Erinnerung das Erlebte in die richtige Reihenfolge gebracht hatte. Die Zeiger seiner Armbanduhr standen auf kurz vor halb sieben. Das entfernte schrille Kreischen der Sägemaschine verriet ihm, daß Bernd und Dieter bei der Arbeit waren. Er hatte Kopfschmerzen, ihm war übel, seine Arme und Beine schmerzten, in seinem Mund ein pappiger, schaler Geschmack. Die Luft im Zimmer war muffig und abgestanden.
    Er stand auf, öffnete das Fenster und sog die allmählich kühler werdende, frische Luft tief in sich ein. An seinem Kinn waren seit gestern morgen borstige schwarze Bartstoppelngewachsen. Esther hatte es nie leiden können, wenn er unrasiert und ungekämmt war und wie ein Vagabund aussah.
    Er ließ das Fenster offenstehen und ging hinaus in den Flur zum Telefon. Er verwählte sich vor Nervosität zweimal, bis er endlich mit dem Krankenhaus verbunden war.

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