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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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diesen Alexander Höllerich. Mit einem Mal wurde alles so sinnlos, von einer Sekunde zur anderen fiel Brackmann in das ihm so vertraute tiefe schwarze Loch.
    Er verabschiedete sich von Schmidt und versprach, ihn um sieben Uhr morgens abzulösen. Er mußte dringend nach Hause. Schmidts Stimme hielt ihn zurück: »Übrigens, haben Sie schon die irre Story gehört? Da haben sich ein Ehepaar und ihre beiden Kinder im Kleiderschrank versteckt, und um sie herum ist alles weggeflogen, nur der Schrank blieb stehen. Sie haben zwar kein Haus mehr, aber sie leben.«
    »Nein, hab ich noch nicht gehört. Klingt aber gut«, sagte Brackmann und ging.
     
    Die Nacht dauerte für Brackmann bis halb vier. Er wachte auf, als er zwischen den Schienen stand und die grellen Scheinwerfer eines rasch näherkommenden, laut pfeifenden Zuges ihn blendeten. Er wollte die Gleise verlassen, doch seine Beine schienen wie festgeklebt an den Holzbohlen, er fühlte, wie mit dem Näherrasen des Zuges sein Herz ein immer schnelleres Stakkato anschlug, wie er schreien wollte und doch nicht schreien konnte, wie seine Kehle sich zuschnürte und er glaubte, ersticken zu müssen. Starr vor Entsetzen sah er die Lok mit den riesigen Lampen auf sich zurasen – und wachte auf.
    Bis auf einen dünnen Streifen Mondlicht war es dunkel im Zimmer. Er saß in seinem Bett, hatte Mühe beim Luftholen, sein Hals kratzte, als hätte er lange und laut geschrien, er war schweißgebadet. Er brauchte mehrere Sekunden, um sich zu orientieren und herauszufinden, daß ernoch lebte. Sein Herzschlag reduzierte sich wieder auf Normalwerte, das Atmen wurde leichter. Nur das Kratzen blieb; er stand auf, um sich aus dem Kühlschrank eine Tüte Milch zu holen. Er nahm einen Schluck aus der erst letzte Nacht angebrochenen Tüte und spuckte gleich darauf die saure Milch in das Waschbecken, das Gewitter hatte die Milch sauer werden lassen. Er kippte den Rest hinterher, griff sich eine Dose Bier, riß den Verschluß auf, trank sie in einem Zug leer.
    Er schaute auf die Uhr, halb vier. »Verdammte Scheiße!« fluchte er. »Noch nicht einmal vier Stunden Schlaf! Wie soll ich diesen Tag überstehen?«
    Er stellte sich einen kurzen Moment ans Fenster und schaute hinaus; Waldstein schlief. Die einen in ihren Wohnungen und Häusern, die anderen in der eilends errichteten Zeltstadt. Er legte sich wieder hin, wollte einschlafen, doch sobald er die Augen schloß, war der Traum gegenwärtig. Warum konnte er nicht schlafen? Er war hundemüde und sollte in ein paar Stunden zu Jonas Vandenberg. Ein bißchen Schlaf, nur ein bißchen Schlaf! Er wälzte sich von einer Seite auf die andere, setzte sich auf, die Augen geschlossen, ein Eisenpanzer um die Brust. Die Kohlensäure vom Bier drückte in seinem Magen, und erst nach einem langgezogenen Rülpser löste sich der Druck. Sobald sich das alles hier beruhigt haben würde, wollte er einfach ein paar Tage frei nehmen und wegfahren. Am besten irgendwo in die Berge, einen kleinen See suchen und angeln.
    Der Gedanke an Urlaub stimmte ihn etwas zufriedener. Er würde die dreißig Tage auf einmal nehmen und sich eine schöne Zeit machen. Er war ewig nicht Angeln gewesen, und es wurde höchste Zeit, diesem Ort einmal den Rücken zu kehren und vollkommen abzuschalten. Die Trauerfeier noch verstreichen lassen, die Sache mit den Vandenbergs hinter sich bringen, soweit dies möglich war, und dann weg.Er schlief wieder ein. Sein Wecker klingelte genau drei Stunden später, um Viertel vor sieben.
    Nachdem er geduscht, sich rasiert, ein paar Kekse gegessen und eine Tasse schwarzen Kaffee getrunken hatte, lief er zum Büro. Auf dem Weg dorthin nahm er zwei von seinen Tabletten. Das Gefühl bleierner Schwere war bereits während der Nacht durch seinen Körper gekrochen, und als er vorhin aufstehen wollte, spürte er die unsichtbaren Fesseln um seine Arme, Beine und den Leib. Natürlich lag es an den vergangenen aufreibenden Tagen, dem wenigen Schlaf, der ungeheuren Aufregung, die wie ein gewaltiger Donnerschlag diese malerische Idylle zerrissen hatte. Aber noch mehr lastete die Ungewißheit vor den kommenden Stunden, vielleicht sogar Tagen, auf ihm. Deswegen mußten es auch diesmal zwei Pillen sein.
    Die Luft war klar und noch kühl, der Horizont im Osten eine dunstige Wand, aus dem sich ganz langsam ein gelber Ball immer weiter nach oben schälte. Zwei schwarze streunende Katzen huschten vor ihm über die Straße, verschwanden auf einem verwüsteten Grundstück unter

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