Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
Vom Netzwerk:
Gerümpel.
    Schmidt sah ihn müde an. »Morgen, Chef.«
    »Morgen. Irgendwas los gewesen?«
    »Nein, gar nichts. Zum Glück. Noch so ’ne Nacht hätt ich nicht überstanden. Ich hau mich jetzt in mein Bett, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Warten Sie, ich fahre Sie.«
    »Danke.«
    Er setzte Schmidt zu Hause ab, fuhr noch eine Inspektionsrunde durch Waldstein. Die Bau- und Aufräumtrupps hatten ihre Arbeit wieder aufgenommen, die ersten Laster fuhren durch die staubigen Straßen. Brackmann stellte das Radio an, Musik. Doch er hörte nicht hin. Die Begegnung mit Jonas Vandenberg. Er hatte ein ungutes Gefühl, ihmwar übel. Es konnte für Jonas, wenn Brackmann das Gespräch auf Höllerich brachte, nichts anderes geben, als ihn auszuschalten. Aus diesem Grund und um überhaupt eine Chance zu haben, mußte er von Anfang an taktisch klug vorgehen und Jonas in die Enge treiben. Ihn mit Maria Olsens Brief konfrontieren, ihn dazu bringen, sich in seiner eigenen Schlinge zu verheddern. Und vor allem, Brackmann durfte zu keiner Sekunde auch nur den Hauch von Unsicherheit oder gar Angst zeigen. Er mußte hier genau wie bei einem wilden Tier verfahren, bei dem man auch nur eine Chance hatte, wenn man Stärke demonstrierte.
    Andererseits – welche Trümpfe hatte Jonas in der Hand? Was wußte er bereits? Hatte Engler ihm etwas verraten? Oder hatte Jonas gar ein As im Ärmel versteckt, von dem er nicht einmal etwas ahnte?
    Er spielte ein ungemein gefährliches Spiel mit ungewissem Ausgang. Er war dabei, in ein Wespennest zu stechen, ohne zu wissen, wie viele dieser Biester sich auf ihn stürzen würden. Und er war ungeschützt. Er hatte nichts als den Brief von Maria Olsen und die Aussagen von Csilla und Sarah. Doch wenn er erst einmal in das Nest gestochen hatte, gab es kein Zurück mehr. Er hätte noch stoppen, auf die Fragen von Jonas nach Sarah und Csilla den Ahnungslosen spielen können, vorausgesetzt, Engler hatte noch nicht mit ihm gesprochen; aber das hielt Brackmann für höchst unwahrscheinlich. Ein Rückzug war praktisch unmöglich.
    Er fuhr zurück zum Büro. Es gab einige Schreibarbeiten zu erledigen, Berichte waren auszufertigen. Und diese Arbeit wollte er so schnell wie möglich hinter sich bringen.

Kapitel 38
    Pickard stand schon um kurz nach sechs fertig angezogen im Bad, hatte extra für den Besuch bei Esther seinen Sonntagsanzug aus dem Schrank geholt. Bernd und Dieter schliefen noch, er wollte sie auch nicht wecken, vor ihnen lag ein harter und langer Arbeitstag. Er hatte Hunger, aber keinen Appetit, trank eine Tasse schalen abgestandenen Kaffee vom Vortag.
    Bevor er das Haus verließ, warf er noch einen kurzen Blick in die Kühlhalle, wo die tote Frau Olsen, der junge Phillips und fünfundvierzig Todesopfer lagen. Es war ein schrecklicher Anblick, die wächsernen, starren, zum Teil entstellten Gesichter zu sehen, von denen er die meisten kannte; mit mehreren von ihnen hatte er noch vor weniger als achtundvierzig Stunden gesprochen. Unter den Opfern befanden sich Kinder und Jugendliche, Väter, Mütter, alte Menschen. Ein junges Ehepaar, das drei Kinder zurückließ. Ein kleines Mädchen, das, seit der Vater die Familie wegen einer anderen verlassen hatte, der einzige Halt seiner Mutter war; deren Welt würde jetzt vermutlich völlig zusammenbrechen. Ein alter Mann, der seit Jahren seine kranke Frau versorgt hatte. Wenn er all die Toten sah, war er froh, daß Esther noch lebte.
    Er nahm die große Tasche, in die er Nachthemden und Unterwäsche für Esther gepackt hatte, Zahnputzzeug und ein paar Kleinigkeiten mehr, stieg in sein Auto und fuhr los. Er wollte spätestens um acht in Münchberg sein. Wie würde sie ihn empfangen? Er hoffte, mit einem Lächeln. Mehr verlangte er nicht. Nur ein Lächeln.
    Er machte am Polizeirevier halt, um ein paar Worte mit Brackmann zu wechseln, wenn er denn da war. Mit Schmidt oder Richter würde er nicht sprechen, nur mit Brackmann, ihn mochte er.
    »Guten Morgen«, sagte er und steckte den Kopf durch die Tür. »Darf ich reinkommen?«
    »Guten Morgen, Herr Pickard. Kommen Sie rein«, sagte Brackmann lächelnd. »Kommen Sie und setzen Sie sich. Was kann ich für Sie tun?«
    »Ach, nichts weiter«, antwortete er leise und setzte sich, die Hände vor dem Bauch gefaltet. »Wollte nur mal sehen, wie es so geht. Bißchen lächerlich, mein Aufzug, nicht?«
    »Nein, lächerlich nicht, nur ungewohnt. Und wie soll’s schon gehen nach einer solchen Katastrophe und viel zuwenig

Weitere Kostenlose Bücher