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Der fingerkleine Kobold

Der fingerkleine Kobold

Titel: Der fingerkleine Kobold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: EDITION digital Verlag
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Plötzlich stutzte er, dachte nach und
sagte: „Also kann etwas für den einen wahr sein und für den anderen nicht, oder
es kann heute Wahrheit sein und morgen schon nicht mehr? Ist das eine
verzwickte Sache! Und nun stell dir vor, Strups, alle Leute würden noch mit
Absicht immerzu was Falsches sagen. Das gäbe ja ein Durcheinander, nicht
auszudenken! Aber wo ist plötzlich der Regenbogen hin?"
    „Nirgends hin", sagte Strups, „eine Wolke hat sich vor
die Sonne geschoben, da gibt es keinen Regenbogen."
    „Das ist seltsam", sagte Christoph. „Er muss doch
irgendwohin sein."
    „Trotzdem ist er nirgendwo hin", sagte Strups. „Ich bin
ja auch noch hier, du siehst mich und sprichst mit mir, aber schon am nächsten
Mittwoch werde ich nirgendwo hin sein. So ist das doch, oder?“
    Christoph wurde über und über rot. „Strups“, sagte er
erschrocken, „du willst doch nicht etwa fortgehen, ich will dich doch für immer
behalten!"
    „Ja, ja“, sagte Strups, „das weiß ich, das ist nicht
gelogen. Aber was hast du heute Vormittag gedacht, als Frau Becker sagte: ‚Also
am nächsten Mittwoch findet das Fest der Jungen Talente statt, das letzte große
Ereignis vor den Zeugnissen, ich erwarte, dass sich alle Sänger, Musikanten,
Rezitatoren und Erzähler daran beteiligen und viele Preise für unsere Klasse
gewinnen?' Na, Christoph, was hast du da gedacht?"
    „Du weißt es ja, warum fragst du?", sagte Christoph
mürrisch. „Aber ich rede mit meiner Mutter; vielleicht gibt sie mir meine
Märchenbücher doch vor den Zeugnissen. Oder lässt mich wieder in die Bibliothek
gehen. Dann kann ich mir ein Märchen aussuchen für den Wettbewerb der Erzähler.
Eins, das keiner kennt.“
    „Und wenn nicht?", fragte Strups. „Du kennst doch deine
Mutter. Was sie sich vorgenommen hat, das hält sie auch durch, und wenn du noch
so viel bettelst. Und gib’s nur zu: Du möchtest doch ganz gern von mir
erzählen, nicht?"
    „Ja", sagte Christoph kleinlaut, „möchte ich. Es wäre
sicher die schönste Geschichte, die erzählt würde. Und eine ganz eigene, werden
alle denken, eine selbst ausgedachte. Nur — dass du danach fort wärest, ist
schlimm."
    Strups lächelte. „Ach was", sagte er, „jetzt findest
du’s schlimm. Und trotzdem wirst du es tun, es wird dir doch keine Ruhe lassen.
Und wenn du es erzählt hast und ich fort bin, nirgendwo hin, wirst du mich gar
nicht so sehr vermissen. Nur ein bisschen traurig wirst du sein. Für ein
Weilchen. Und dann wirst du dir wieder etwas anderes ausdenken; Außerdem gibt  es
zwei Tage später Zeugnisse, und danach bringen dir die sieben Schwäne deine
Märchenbücher zurück."
    „Erzähl nur keine Märchen", sagte Christoph, „die
sieben Schwäne! Denkst du, ich glaub an Märchen?"
    ALS LETZTES: DAS FEST DER TALENTE
    Christoph war sehr aufgeregt, obwohl er nicht zum ersten Mal
am Wettstreit der Erzähler teilnahm. Und alle Kinder waren sehr gespannt, als
Christoph aufgerufen wurde, denn sie nahmen an, er werde wieder ein spannendes,
ziemlich unbekanntes Märchen erzählen. Darum machten viele lange, enttäuschte
Gesichter, als Christoph begann:
    „Ich will kein Märchen erzählen, sondern eine Geschichte,
die ich genau so erlebt habe. Nur manches habe ich nicht selbst erlebt, weil
ich nicht dabei war, zum Beispiel den Anfang. Das habe ich mir dann ausgedacht.
Also: Die Geschichte von dem fingerkleinen Kobold. An einem Montagabend im
April sagte meine Mutter; irgendetwas stimmt mit Christoph nicht. Sie sagte es
vor dem Fernsehapparat, und sie sagte es eigentlich auch zu dem Fernsehapparat,
denn mein Vater war eingeschlafen ...“
    Als Christoph von der seltsamen alten Frau erzählt hatte,
zog er das Kästchen aus der Hosentasche. Er stellte es auf den kleinen Tisch,
hinter dem er saß, und öffnete es. Strups kletterte heraus. Christoph
beschrieb, wie der Kobold aussah, beschrieb seinen feuerroten Anzug mit den
goldenen Knöpfen, sein struppiges Haar. Er ließ ihn vorwärts und rückwärts
wachsen. Er erzählte alles so anschaulich, dass jeder den Kobold nun sehen
konnte: Strups, fingerklein, hatte sich auf den Tisch gesetzt und baumelte
fröhlich mit den Beinen. „Ah!", riefen die Kinder, zeigten nach vorn,
staunten und rieben sich gespannt die Hände.
    Dann war die Geschichte zu Ende. Schwitzend und glücklich
saß Christoph noch einen Moment auf dem Stuhl und sah den fingerkleinen Strups
an. Alle Kinder saßen ganz still und sahen den fingerkleinen Strups an.
    Der Kobold sah

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