Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert
nahestehen.
Hätte ich einen Zeitvertrag mit dem Ministerium, so müsste man mich nach einer gewissen Zeit fest anstellen. So will es das Gesetz. Doch diese Regelung wird umgangen, indem die Arbeiten an Subunternehmer vergeben werden. Aus diesem Grund erhalte ich auch so oft neue Verträge. Und obwohl ich seit vier Jahren die gleiche Arbeit im gleichen Büro mache, war ich in dieser Zeit schon bei zwei verschiedenen Firmen angestellt und habe vier unterschiedliche Verträge unterschrieben, manchmal nur für ein paar Monate.«
Und wie man das Geld der EU durchbringt
Uns allerdings sagt man, dass der Staat durch die Auslagerung seiner Pflichten auf private Unternehmen Geld spart. Stimmt denn das auch? Natürlich nicht! Das zeigt sich deutlich, wenn man den sogenannten Primärsaldo eingehender unter die Lupe nimmt, also den Unterschied zwischen Staatseinnahmen und -ausgaben ohne den zu leistenden Schuldendienst. Seit das Prekariat bei Staatsdienern offiziell erlaubt wurde, was in Italien seit etwa zehn Jahren der Fall ist, stieg der Primärsaldo keineswegs, was hätte geschehen müssen, wenn die primären Staatsausgaben gesunken wären. Ganz im Gegenteil: Von Ende 2008 bis zum ersten Quartal 2011, als die ersten Sparmaßnahmen griffen, haben die Primärausgaben die Staatseinnahmen sogar überstiegen. Außerdem gab es in dieser Zeit in Italien kein nennenswertes Wirtschaftswachstum. Wo also ist das ausgegebene Geld gelandet? In den Taschen der Elite, der Immobiliengesellschaften, die die öffentlichen Ausschreibungen gewannen, der Parasiten der Demokratie.
In Griechenland, wo das staatliche Prekariat seit gut einem Jahrzehnt gang und gäbe ist, ist die Lage sogar noch schlimmer. Der öffentliche Sektor ist der wichtigste Arbeitgeber des Landes und hat kein Geld mehr, um diese Funktion weiter auszuüben. Der griechische Primärsaldo ist ein gigantisches Primärdefizit, was bedeutet, dass die Staatseinnahmen nicht einmal mehr die realen Ausgaben decken, sogar wenn man den Schuldendienst außer Acht lässt. Die Lösung: Das Land verschuldet sich bei den Banken, bis die Märkte beschließen, dass der Börsenhandel ausgesetzt werden muss, wie es 2010 geschah. An diesem Punkt musste – wie wir alle wissen – Brüssel eingreifen. Zunächst mit einem Kredit über 100 Milliarden Euro, dann einem zweiten Hilfspaket Ende Juli 2011, was man als »europäischen Marshallplan« bezeichnete: 109 Milliarden Euro plus 50 weiteren Milliarden Euro, die der Privatsektor dem Staat stunden musste. Im Februar 2012 einigten sich die Finanzminister dann auf ein ebenfalls als »zweites« bezeichnetes Hilfspaket. Will man Brüssel glauben, so sollte dies genügen, um dem Land, dessen Wirtschaft seit fünf Jahren schrumpft, ökonomisch wieder auf die Beine zu helfen. Einem Land, dessen Staatseinnahmen nicht ausreichen, um die Ausgaben der öffentlichen Hand zu decken, und das einen Schuldenberg von 142 Prozent seines BIP angehäuft hat. Warum nicht? In einer Harry-Potter-Wirtschaft ist doch alles möglich!
Um Griechenlands Wirtschaft zu retten, heißt es, habe man einen Zaubertrick angewandt, den man nie mehr wiederholen würde. Was heißt das denn nun? Dass wir Portugal oder Irland, wenn sie in dieselbe Situation geraten, vor die Hunde gehen lassen? Eher unwahrscheinlich, oder? Das Rettungspaket dient also letztlich nur der Beruhigung der Märkte. Damit der Flächenbrand sich nicht ausweitet. Wenn in Portugal und Irland dasselbe geschieht und wir den Euro behalten wollen, müssen wir dann nicht auch diese Länder retten? Und kann man dann wirklich noch von Rettung reden?
Alle Länder im südlichen Europa haben mit Haushaltsdefiziten zu kämpfen, und zwar nicht nur, weil sie das Geld der anderen ausgeben, sondern vor allem, weil sie kein Wirtschaftswachstum aufweisen können. Und das, man muss es leider sagen, geht in erster Linie auf den Euro zurück, auf diese Währung, die sie mit dem hochgradig effizienten Deutschland teilen. Aber davon später. Zuerst wollen wir die einzelnen Maßnahmen des europäischen Marshallplans analysieren, da wir der Ansicht sind, dass dieser nur dem Anleihenmarkt dient und die griechische Wirtschaft keineswegs ankurbeln wird. Dieser Marshallplan wird niemanden retten.
Von den versprochenen 109 Milliarden Euro kriegt Griechenland nämlich nur 34 zu sehen. Die restlichen 75 Milliarden dienen dazu, all jenen, die griechische Staatsanleihen halten – den Banken –, einen Umtausch in niedriger verzinste Papiere
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