Der Flatbootmann
gereuen könnte.« Der alte Mann hob drohend die Büchse, und der Aufseher, feige überhaupt, wo er irgend Widerstand fand und nicht die Mehrzahl auf seiner Seite hatte, warf den Bug des Boots herum. Die Ruder fielen wieder ein, und das kleine Fahrzeug lag bald außer Schußweite von dem Deck des Flatboots oder der Arche, wie solche Kästen ebenfalls nicht selten genannt werden. Dem Alten ging aber das Wort ›Sklavin‹ im Kopf herum. War es nur eine List des Aufsehers, einen Vorwand zu haben, um an Bord zu kommen und dieses nach der flüchtigen Weißen zu durchstöbern, oder - es gab allerdings Sklaven, die fast so weiß waren und oft weißer als ihre Herren und doch Niggerblut in den Adern hatten. Der Zweifel wurde ihm unbehaglich, und er mußte ihm rasch ein Ende machen.
»Bill«, sagte er, sich zudem Steuernden wendend, »hab mir ein Auge auf das Boot, und wenn sie wieder herankommen, ruf mich! An Bord darf mir der Halunke bei Nacht und Nebel auf keinen Fall, und wenn ich zehn Nigger hier hätte, die seinem Sklavenzüchter gehören. Wenn er was von uns will, soll er morgen kommen, oder - an uns schreiben.« Und mit diesen Worten verließ er, seine Büchse mit hinunternehmend, das Deck.
»Hallo, Jack! » sagte er übrigens erstaunt, als er in seine Kajüte trat und dort den jungen Bootsmann neben der Fremden stehen sah, deren Hand er gefaßt hielt. »Weißt du, was der Lump, der Mr. Hoof, der draußen in seinem Boot bei uns war, gesagt hat?«
»Die Wahrheit, Mann«, flüsterte da die Frau.
»Alle Wetter!« rief der Yankee erschrocken, und das Mädchen barg schaudernd ihr Antlitz in den Händen. Jack hatte aber vorgearbeitet und, auf die Gutmütigkeit der alten Dame bauend, diese wenigstens für sich gewonnen. Was kümmerten ihn die Gesetze der Sklavenhalter - hier vor sich hatte er ein armes mißhandeltes Geschöpf, ein Opfer von den Tausenden, die jährlich unter der Peitsche ihrer Henker verbluten; ihrem Schutz hatte sich die Unglückliche anvertraut, und er selber war fest entschlossen, sein Leben für sie einzusetzen. Viel kaltblütiger nahm aber der Yankee die Sache, der zu oft schon hier in Louisiana und überhaupt in den Sklavenstaaten gewesen war, um nicht ganz genau die Gefahr zu kennen, der er sich ausgesetzt, und keineswegs daran dachte, sein Eigentum und seine eigene Freiheit zu wagen, um einer entlaufenen Sklavin zu ihrer Flucht behilflich zu sein. Ruhig legte er deshalb die lange Büchse wieder auf ihren Platz, warf einen langen forschenden Blick auf das in sich zusammengebrochene Mädchen und sagte, indem er sich wieder abwandte, um die Kajüte zu verlassen:
»Ja, dann brauche ich freilich die Büchse nicht mehr das hätte ich früher wissen sollen.«
»Was willst du tun, Mann?« rief die alte Frau, die rasch seinen Arm ergriff.
»Was ich tun will?« wiederholte der Yankee, sie erstaunt ansehend. »Nun, das Boot wieder herbeirufen und sie ihren Leuten übergeben. Glaubst du, daß ich Lust habe, meine Ladung in der nächsten Stadt vom Sheriff verauktionieren zu sehen und selber mit den Louisiana-Zuchthäusern Bekanntschaft zu machen? - Ich müßte geradezu wahnsinnig sein.«
»Aber sieh dir das Mädchen nur erst an, Mann«, bat die Frau, der das Herz bei dem Gedanken weh tat, die Unglückliche ihren Peinigern wieder überliefert zu sehen. »Sieh«, sagte sie, die Hände der Armen von dem bleichen tränennassen Antlitz niederdrückend, »sieh das Kind, weiß wie eine Kirschblüte und mit dem lieben Gesicht meiner Schwester Lucy so ähnlich wie ein Ei dem anderen, und sieh hier«, fuhr sie fort, das Mädchen mit ihrer kräftigen Hand emporhebend, daß ihr Mann den blutgestreiften Rücken erkennen konnte, »sieh das - so haben sie das arme Kind mißhandelt und gepeitscht, eines erbärmlichen Hundes wegen, den ein Alligator gefressen hat. Sind das Menschen?«
»Hm«, sagte der Händler, »das ist allerdings schlimm - sehr schlimm, und ähnliches traue ich dem Halunken auch wohl zu, der da draußen mit seinem Boot umherrudert, aber - er hat die Gesetze einmal auf seiner Seite, und gegen den Stachel können wir nicht löcken. Hätt ich das Mädchen auf meiner Farm in Indiana, ließe sich ein Wort darüber reden, und wir fänden vielleicht Mittel und Wege, sie nach Kanada hinaufzuschaffen. Hier aber, mit meinem ganzen Vermögen beinah im Bereich ihrer Gesetze, kann ich gar nichts machen, wenn ich auch wirklich wollte. Der Lump da draußen braucht weiter nichts zu tun, als hinter uns herzurudern
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