Der Flatbootmann
Jugendfreund ist, wieder unter die Augen tretet.«
»Führt der Junge ein Maulwerk am Kopf«, sagte der Alte, wirklich erstaunt zu seinem Bootsmann aufsehend, »und sonst hat er den Tag keine zehn Worte gesprochen - und mir willst du desertieren?«
»Ihr braucht mich jetzt nicht mehr«, sagte Jack, dem sich bei der Frage eine Zentnerlast von der Seele wälzte; er wußte, Poleridge hatte eingewilligt. »Der Strom ist hier breit und tief, und die Gefahren liegen hinter uns. Gebt mir den Lohn, den ich bei Euch verdient - ich verlange nicht mehr - und für das übrige laßt mich sorgen.«
»Und das Mädchen?« sagte der Alte mit einem forschenden Blick.
In atemloser Spannung hatte die Unglückliche der neu für sie auftauchenden Hoffnung, so schwach die immer sein mochte, gelauscht. Kannte sie doch alle die Gefahren, die noch in ihrem Weg lagen, viel besser als der junge Mann, dessen edles Herz, dessen kecker Jugendmut ihnen trotzig entgegensah.
»Willst du mir dein Schicksal anvertrauen«, sagte da Jack, ging auf sie zu und streckte ihr die Hand entgegen, »willst du mir folgen, Mädchen, und glauben, daß ich es treu und ehrlich mit dir meine?«
Tiefes Rot färbte bei diesen Worten die eben noch so bleichen Züge der Jungfrau - zitternd erhob sie sich, legte ihre Hand in die des jungen Mannes und sagte mit lautem, tiefbewegtem Ton:
»Ich will Euch folgen, wie ich meinem Bruder folgen würde, und möge Gott Euch lohnen, was Ihr einem armen, verlassenen Wesen tut.«
»Dann auch mit Gott!« jubelte Jack. »Und wenn da oben noch ein solches Wesen thront, dann wird, dann muß es uns schützen, daß wir nicht untergehen. - Und nun fort - die Nacht ist noch lang, und mir ist jetzt so froh und leicht ums Herz, daß ich meine Lust hinaus in die Welt schreien möchte.«
»Das wäre sehr zweckmäßig«, sagte der Alte trocken, »Mr. Hoof würde sich wenigstens gleich erkundigen, was wir wünschen. Aber meinetwegen, wenn du denn einmal blind und toll in dein Unglück hineinrennen willst, habe ich kein Recht und keine Macht, dich zu halten. Wir sind freie Bürger, und jeder von uns kann tun und lassen, was er will. Allerdings würden sie mir auf die Jacke kommen, wenn du hier unbemerkt entkommen solltest, das fürcht ich aber kaum, denn das Boot wird uns so weit aus den Augen lassen, daß ihnen ein Kanu entgehen könnte. Trotzdem will ich alles tun, was in meinen Kräften steht, dir fortzuhelfen, und wär es auch nur deshalb, diesen Mr. Hoof mit langer Nase abziehen zu sehen. Mach dich soweit zurecht - ich werde indessen einmal an Deck gehen und zuschauen, wie es da oben aussieht. Du brauchst auch nichts zu übereilen, denn du hast noch ziemlich die ganze Nacht vor dir.« Poleridge drehte sich um und wollte die Kajüte verlassen, als ihm seine Frau in den Weg trat und seine Hände faßte. Große Tränen liefen ihr dabei an den Wangen nieder.
»Schon gut, Alte«, sagte der Mann, sie langsam, freundlich beiseite schiebend, »ich weiß, daß ich einen dummen Streich mache. Wenn es der Tollkopf da aber nun einmal gar nicht anders haben will, mag er auch dafür die Folgen tragen. Leid ich durch seine Schuld Schaden an meinem Boot, so muß es mir sein Vater daheim ersetzen, soviel ist sicher.« Er verließ im nächsten Augenblick die Kajüte, und Jack stand im ersten Moment unschlüssig da und wußte nicht, wo er beginnen sollte. Mrs. Poleridge aber, das Muster einer praktischen Frau, schob ihn dem Eingang zu und sagte rasch:
»Jetzt fort mit Euch, Jack! Bringt das Kanu in Ordnung und macht Euch zum Auslaufen fertig, sobald mein Alter die Zeit für passend hält; ich will indessen das arme Ding hier verbinden und gegen die kalte Nachtluft schützen. Auch Proviant werd ich Euch einpacken, weil Ihr ja unterwegs etwas brauchen werdet - und wenn ich dabei eine Sünde tue und gegen die Gesetze handle, so mag es mir Gott verzeihen. Gott kann aber auch solche Gesetze nicht gegeben haben, und böse Menschen mißhandeln unter deren Schutz nur andere Geschöpfe desselben Gottes - denen beizustehen, kann keine Sünde sein. - Und nun hab guten Mut, mein Kind«, wandte sie sich dem Mädchen zu, als der junge Mann die kleine Kajüte verlassen hatte. »Jack ist ein so braves, ehrliches Herz, wie nur einer im weiten Land - keiner von jenem rauhen, nichtsnutzigen Bootsgesindel, sondern der Sohn wackerer Eltern, den wir alle liebgewonnen haben. Das Herz hat er aber auf dem rechten Fleck, und wenn einer in allen Staaten, so ist er imstande, das,
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