Der Flatbootmann
sagte der Alte ruhig.
»Nein? - Ihr müßt es gesehen haben«, rief aber die Stimme wieder. »Es kann in höchstens zwanzig Schritt an Euch vorbeigefahren sein.«
»Möglich«, erwiderte ruhig der Alte, »wir haben aber mehr zu tun, als auf das zu achten, was im Strom herumschwimmt.«
»Ich will verdammt sein«, brummte da Bill, »wenn das nicht der einäugige Halunke von der Plantage da oben ist, der seinen Niggern heut abend noch eine kleine Extrabewegung verschafft.«
»Jawohl ist er's, der - Lump«, nickte der Alte verdrießlich vor sich hin, »kommt mir aber gerade recht. Erst verdirbt er uns den Handel an Land, und dann will er auch hier noch auf dem Wasser das große Wort führen! Was der aber nur mit dem weißen Mädchen zu schaffen haben kann?«
Das Boot war indessen ganz nahe, und zwar zum Hinterteil des nur mit der Strömung niedertreibenden Flatboots gekommen, um mit den an Bord Stehenden bequemer reden zu können.
»Mr. Poleridge«, sagte da der Weiße, der am Steuer saß, »ich habe etwas mit Ihnen zu sprechen - werfen Sie uns einmal ein Tau herunter, daß ich an Bord kommen kann. -
»Tut mir leid«, sagte der Händler aber ruhig, »ich bin heut abend nicht mehr zu Hause. Wenn Sie was von mir wollen, seien Sie so gut und kommen Sie am Tag wieder.«
»Unsinn«, rief der andere ärgerlich. »Sie sind in der Zeit zwanzig Meilen den Strom hinab.«
»Mit Gottes Hilfe, ja«, erwiderte der Händler, »aber bei Nacht und Nebel läßt man nicht gern fremde Menschen an Bord.«
»Aber ich bin kein Fremder«, rief der Mann wieder, »mein Name ist Hoof - ich bin der Aufseher der Plantage, an der Sie bis heut abend gelegen haben.«
»So?« sagte der Yankee trocken. »Wäre mir dann sehr angenehm, Ihnen noch adieu sagen zu können, denn heut abend hatt ich das wirklich schmählich vergessen.«
Der Aufseher biß die Zähne zusammen; seine Leute hatten die Ruder eingenommen und trieben dicht hinter dem Boot langsam mit ihm stromab.
»Mr. Poleridge«, sagte der Aufseher da mit ernster Stimme, »ich fürchte, Sie spielen ein gefährliches Spiel. Sie haben eine entsprungene Sklavin an Bord und wollen sie verheimlichen. Wissen Sie, daß nach unseren Gesetzen Zuchthausstrafe darauf steht?«
»Entsprungene Sklavin?« wiederholte der Händler, doch etwas verdutzt. »Unsinn, Mann - fahrt nach Hause und legt Euch zu Bett und kommt mir hier nicht mit Euren Flausen. ich habe niemanden an Bord und steh Euch keine Rede mehr.«
»Das wollen wir sehen«, rief da der Aufseher, bei dem der Zorn die Oberhand gewann. »Sie müssen mich an Bord lassen, um mich selber zu überzeugen. Sie dürfen mir das nicht verweigern!«
»Darf ich nicht? Oh!« lachte der Yankee. »Da könnte jeder angefahren kommen und in finsterer Nacht an Bord wollen, nach entlaufenen Niggern zu sehen. So sicher ist der Mississippi nicht, um das zu riskieren, und von müssen ist nun hier gar keine Rede.«
Der Aufseher schwieg; plötzlich aber rief er seinen Leuten zu, die Ruder wieder aufzugreifen. Mit ein paar Ruderschlägen war das Boot an der Seite des Flatboots, und der Aufseher erhob sich, den Rand desselben zu erfassen.
»Tom - reich mir einmal meine Büchse herauf!« rief da der alte Mann mit donnernder Stimme über Deck. »Und der erste, der seinen Kopf bei mir, gegen meinen Befehl, an Bord zeigt, kann sich auch darauf verlassen, daß ich ihm das Mondlicht hindurchscheinen lasse. Wetter noch einmal, ich will doch sehen, wer Herr auf der alten ›Susy‹ ist, Ihr oder ich!«
In wenigen Augenblicken kam einer der Leute mit der Büchse angesprungen, und Mr. Hoof wagte nicht dem Verbot zu trotzen, der alte Mann hätte auch seine Drohung erfüllt und kein Gerichtshof der ganzen Welt ihn deshalb schuldig befunden. Mit einem gotteslästerlichen Fluch stieß der Aufseher sein eigenes Boot wieder ab, und die Leute setzten ihre Ruder ein. Das des einen Negers traf aber dabei auf das versenkte Kanu, und im Augenblick wurde die Aufmerksamkeit des Negertreibers dorthin gelenkt.
»Beim Teufel, sie ist an Bord!« schrie er, laut aufjubelnd. Jetzt wollen wir sehen, ob Ihr ein Recht habt, mit Euren nordischen Abolitionistenbooten hier an den Plantagen zu landen und Neger zu stehlen. Weigert Ihr Euch noch, die Sklavin herauszugeben?«
»Neger stehlen, du faulmäuliger Halunke!« rief aber jetzt der alte Yankee, dem es schon in den Fingern zuckte. »Nun mach aber, daß du fortkommst, soviel rate ich dir, oder ich selber tue etwas, das mich am Ende später
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