Der Flatbootmann
was er hier begonnen, auch durchzuführen.«
Noch während sie sprach, hatte sie die Schultern des Mädchens entblößt, und die Tränen liefen der Frau wieder rasch über die Wangen nieder, als sie die furchtbaren Zeichen sah, die des Henkers Peitsche dieser zarten Haut eingegraben. Aber sie reinigte mit leiser und doch geschäftiger Hand die Wunden, legte einen frischen Verband auf und sorgte dann dafür, daß die Arme etwas überzuziehen hatte, um die frischen Wunden nicht zu erkälten. Wieder und wieder schüttelte sie aber dabei den Kopf und konnte nicht aufhören, sich zu wundern, daß ein so weißes Mädchen den Negern zugezählt und so mißhandelt werden könne. Jack war aber indessen auch nicht müßig gewesen und hatte so geräuschlos wie möglich mit einem seiner Kameraden das vorhin versenkte Kanu erst an der Seite aufgehoben und dadurch halb auslaufen lassen und dann vom Wasser freigeschöpft. Ohne Geräusch war das freilich nicht möglich gewesen, das Boot jedoch, das sich jetzt vor ihnen hielt, war zu weit voraus, um ihr Treiben hier gewahren zu können, und bald lag das kleine Fahrzeug wieder leicht und sicher auf dem Wasser.
Das Flatboot näherte sich jetzt einer der im Mississippi häufig liegenden Inseln, und da es sich bei dem hohen Wasserstand ziemlich gleich blieb, an welcher Seite sie hinfuhren, beschloß der alte Poleridge, die Schattenseite zu wählen. Der Mond stand schon ziemlich tief, und unter dem Schutz der Bäume konnte es dem Kanu doch am Ende gelingen, glücklich zu entkommen. Seine Leute hatte er indessen mit der beabsichtigten Flucht des Kameraden bekannt gemacht, und Bill schwur, daß ihm nichts auf der Welt größeres Vergnügen machen würde, als mitzugehen. Das Kanu war aber dazu zu klein, und der Alte fragte ihn auch, ob er glaube, daß er sein Flatboot allein den Strom hinabbringen könne?
»Es ist genug«, brummte er, »daß ich den Tollkopf von einem Burschen laufenlassen und ihr anderen könnt Gott auf euren Knien danken, daß ihr nicht mit von der Partie zu sein braucht. Sollte mich gar nicht wundern, wenn wir nächster Tage in New Orleans lesen, daß sie einen Abolitionisten mit einer entsprungenen Niggerin gefangen und zum abschreckenden Beispiel für andere aufgehängt haben. - Und nun fort, Jack, oder steh wenigstens bei deinem Boot und sieh zu, daß dein Passagier fertig ist, und ihr anderen - haltet reinen Mund. - Von euch hat niemand etwas gesehen, verstanden?«
»Müßt uns für verdammte Holzköpfe halten, daß Ihr das auch noch erwähnt!« brummte Bill. » Good luck, alter Junge und halt dich tapfer - einer gegen fünf ist noch gar nicht so schrecklich arg, und du bist gerade der Rechte, ihnen heimzuleuchten.«
Jack reichte allen seinen Kameraden der Reihe nach die Hand, und sie alle hatten, wenn auch mit den furchtbarsten Flüchen oft untermischt, ein derbes, aber herzliches Wort für ihn. Die ganze Sache entsprach auch viel zu sehr ihrem wilden, abenteuerlichen Leben, um nicht aller ihrer Sympathien gewiß zu sein. Der Alte war indessen in die Kajüte gegangen, konnte aber hier einen lauten Ausruf des Staunens nicht unterdrücken, als ihm seine Frau das indes angezogene Mädchen entgegenführte. Mit einem von ihren dunklen Kleidern angetan, eins der amerikanischen Bonnets auf, das das Gesicht wenn auch nicht verdeckte, doch beschattete, kannte er die entlaufene Sklavin kaum wieder.
»Na, das muß wahr sein«, sagte er ganz verblüfft, »wer dich in dem Aufzug sieht, mein Kind, und mit dem Gesicht und dann auch nur eine Ahnung hat, daß du Negerblut in den Adern trägst - und verwünscht wenig muß es außerdem sein -, kann mehr als Brot essen und hat ein schärferes Auge als der alte Poleridge. Wenn dich der Junge erst einmal glücklich aus der Nachbarschaft hier bringt, nachher kann wahrhaftig noch alles gutgehen. - Aber wo ist Jack? - Blitzbengel der, wenn ich in seinen Jahren wäre, ich weiß nicht, was ich selber täte, aber derlei Gesindel, mit nichts im Vermögen, als was sie in der Westentasche mit forttragen können, sitzt auch immer locker wie ein geladenes und gestochenes Gewehr; der geringste Druck, und sie gehen los. Na, Junge, da hast du deine Madame«, wandte er sich dann zu dem eben eintretenden Jack, »eine etwas jüngere Ausgabe der Mrs. Betsy Poleridge, und nun mach, daß du fortkommst. Da vor uns liegt die Insel - hast du deine Decke?«
»Alles in Ordnung, Sir.«
»So und hier ist auch dein Geld, das du bei mir guthast - es sind ein
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