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Der Fledermausmann

Der Fledermausmann

Titel: Der Fledermausmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Todeszeitpunkt erfuhr, bin ich nicht sofort darauf gekommen. Erst später fiel mir wieder ein, daß das Licht ausgeschaltet war, als wir in Otto Rechtnagels Wohnung kamen. Wenn die Ereignisse dort so abgelaufen sind, wie wir uns das bisher ausgemalt haben, heißt das, daß Andrew den Lichtschalter neben der Wohnzimmertür ausgeschaltet hat und sich dann im Heroinrausch in einem Raum, der um zwei Uhr nachts stockfinster ist, zu dem wackeligen Stuhl vorgetastet hat, auf ihn raufgekraxelt ist und sich dann die Schlinge um den Hals gelegt hat.«
    »Das hört sich merkwürdig an, ja«, sagte Wadkins. »Vielleicht war es ja nicht ganz dunkel, vielleicht wird das Zimmer nachts von Straßenlaternen oder irgendwelchen anderen Lampen erleuchtet?«
    »Lebie und ich haben das heute nacht um zwei Uhr überprüft. In dem Zimmer herrschte totale Finsternis.«
    »Kann nicht das Licht an gewesen sein, ohne daß ihr das bemerkt habt?« fragte Yong. »Es war ja Tag. Irgendeiner der Polizisten kann es doch vielleicht ausgeschaltet haben?«
    »Wir haben Andrew mit einem Messer abgeschnitten«, sagte Lebie. »Ich wollte keine gewischt bekommen und habe deshalb vorher den Lichtschalter kontrolliert.«
    »Okay«, sagte Wadkins. »Gehen wir davon aus, daß sich Kensington im Dunkeln erhängt hat, daß er ein Sonderling war, what else is new?«
    »Aber er erhängte sich nicht im Dunkeln«, sagte Harry.
    McCormack räusperte sich hinten im Raum.
    »Das hier haben wir in Otto Rechtnagels Wohnung gefunden«, sagte Harry und hielt eine Glühbirne in die Höhe. »Seht ihr den braunen Fleck hier? Das ist verschmorte, angebrannte Viskose.« Dann hielt er ein weißes Bekleidungsstück in die Höhe. »Und hier ist das Hemd, das Andrew trug, als wir ihn gefunden haben. Bügelfrei. 60 Prozent Viskose. Viskose schmilzt bei 260 Grad Celsius. Die Temperatur der Oberfläche einer Glühbirne beträgt etwa 450 Grad. Seht ihr den braunen Fleck über der Brusttasche hier? Dort hing die Glühbirne auf dem Hemd, als wir ihn fanden.«
    »Beeindruckende Physikstunde, Holy«, sagte Wadkins. »Was ist Ihrer Meinung nach geschehen?«
    »Es gibt zwei Möglichkeiten«, antwortete Harry. »Jemand kann vor uns da gewesen sein, Andrew dort gesehen und das Licht ausgeschaltet haben. Das Problem ist, daß die einzigen beiden registrierten Schlüssel zu der Wohnung in den Taschen von Andrew und Otto gefunden worden sind.«
    »Die Tür hat ein Sicherheitsschloß, nicht wahr?« fragte Wadkins. »Vielleicht hat diese Person die Tür geöffnet und den Schlüssel dann in Andrews Tasche ge . . . nein, dann hätte Andrew ja nicht hereinkommen können.«
    Wadkins errötete leicht.
    »Trotzdem kann da etwas Wahres dran sein«, erwiderte Harry. »Meine Theorie ist, daß Andrew keinen Schlüssel zu der Wohnung hatte, sondern von jemand anderem hereingelassen worden ist, der entweder bereits da war oder mit ihm zusammen gekommen ist, jemand, der den anderen Schlüssel hatte. Diese Person war anwesend, als Andrew starb. Anschließend steckte sie den Schlüssel in Andrews Tasche, damit es so aussah, als habe er sich selber die Wohnung aufgeschlossen. Daß der Schlüssel nicht zusammen mit all den anderen Schlüsseln am Schlüsselbrett hing, läßt so etwas vermuten. Dann hat diese Person das Licht ausgeschaltet und, als sie ging, die Tür ins Schloß fallen lassen.«
    Es wurde still.
    »Glauben Sie, daß Andrew Kensington ermordet worden ist?« fragte Wadkins. »Und wenn ja, wie?«
    »Ich glaube, daß man ihn zuerst gezwungen hat, sich eine Überdosis Heroin zu spritzen, vermutlich mit gezückter Pistole.«
    »Warum kann er sich das nicht freiwillig gespritzt haben, bevor er dorthin kam?« fragte Yong.
    »Erstens glaube ich nicht, daß ein so routinierter Junkie wie Andrew sich plötzlich eines Tages per Zufall eine Überdosis spritzt. Außerdem hatte Andrew gar nicht mehr genug Stoff für eine Überdosis.«
    »Warum mußte er dann noch erhängt werden?«
    »Eine Überdosis zu spritzen ist keine exakte Wissenschaft. Es ist nicht immer leicht zu sagen, wie ein abgehärteter Körper reagieren wird. Vielleicht hätte man ihn noch lebend gefunden. Der Punkt ist aber wohl eher, daß man ihn betäuben mußte, damit er keinen Widerstand leistete, wenn man ihn auf den Stuhl stellte und ihm die Leitung um den Hals wickelte. Apropos Leitung. Lebie?«
    Lebie manövrierte seinen Zahnstocher mit leichter Lippen- und Zungengymnastik aus dem Mundwinkel.
    »Die Jungs von der Spurensicherung haben die

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