Der Fledermausmann
darauf, nicht sein Gesicht, sondern nur seinen behaarten Arsch zu zeigen. Aber die Aufsicht erkannte ihn an der Stimme und sagte laut: ›Aber was machen Sie denn hier, Bruce Lieslington?«‹
Der Wachmann biß sich auf die Unterlippe.
»Oh – Scheiße . . .«
Harry lachte laut und hob beschwichtigend die Hände: »Ist schon okay, ich hab den Namen bereits vergessen.«
»Jedenfalls berief Mosceau am nächsten Tag eine allgemeine Versammlung ein. Er erklärte kurz, was geschehen war, und sagte, daß er diesen Vorfall sehr ernst nehme. ›Wir können diese Art von Publicity nicht gebrauchen‹, sagte er. ›Deshalb sehe ich mich gezwungen, solche Führungen fortan nicht mehr anzubieten.«‹
Das Lachen des Wachmanns hallte an den Wänden des Requisitenraums wider. Harry mußte lächeln. Nur die ruhende Diva aus Stahl und Holz war noch immer genauso still und unnahbar.
»Jetzt verstehe ich, warum ihr ›los, anziehen‹ ruft! Was ist aus dem unglückseligen Besichtigungsleiter geworden? Hat er es zum Schauspieler gebracht?«
»Zu seinem Bedauern, aber zur großen Freude der Theaterszene: n-nein. Aber er ist noch immer in der Branche. Er arbeitet heute als Beleuchter hier im St. George's, aber – das habe ich ja ganz vergessen – Sie haben doch mit ihm gesprochen.«
Harry zog langsam die Luft ein. Es knurrte und zuckte in seinen Gelenken dort unten. Scheiße, Scheiße, warum mußte es hier so heiß sein?
»Ja, ja, das ist richtig. Er trägt heute wohl Kontaktlinsen, nicht wahr?«
»Fehlanzeige! Er behauptet, er könne besser arbeiten, wenn er die Bühne leicht unscharf sehe. Daß er sich dann besser auf das Ganze konzentrieren könne und sich nicht von irgendwelchen Details ablenken lasse. Das ist schon ein m-merkwürdiger Kauz.«
»Ein merkwürdiger Kauz«, wiederholte Harry.
16 Tote Känguruhs, eine Perücke
und eine Beerdigung
K ristin war vor ein paar Jahren zurück nach Oslo gezogen. Über Freunde hatte Harry erfahren, daß sie eine zweijährige Tochter hatte, ihren Engländer aber in London gelassen hatte. Und eines Abends hatte er sie dann im Sardine's getroffen. Als er sich ihr genähert hatte, konnte er sehen, wie verändert sie war. Die Haut war blaß, und ihr Haar hing ihr leblos ins Gesicht. Als sie auf ihn aufmerksam wurde, verzerrte sich ihr Gesicht zu einer Art angestrengtem Lächeln. Er begrüßte Kjartan, einen »befreundeten« Musiker, den er wiederzuerkennen glaubte. Sie redete schnell und zusammenhanglos über alle möglichen unwichtigen Dinge und ließ Harry keine Gelegenheit, die Fragen zu stellen, die sie von ihm erwartete. Dann redete sie über Zukunftspläne, aber in ihren Augen war kein Feuer, und die wild gestikulierenden Arme der Kristin, die er kannte, waren jetzt langsam und apathisch.
Irgendwann glaubte Harry zu erkennen, daß sie weinte, aber da war er bereits so voll, daß er es nicht mit Sicherheit sagen konnte.
Kjartan war gegangen, tauchte dann noch einmal auf, flüsterte ihr etwas ins Ohr und löste sich dann mit einem überlegenen Lächeln, das Harry galt, aus ihrer Umarmung. Dann waren alle gegangen, und Harry und Kristin hockten zwischen zerknüllten Zigarettenpackungen und Glassplittern allein in dem leeren Lokal, bis sie vor die Tür gesetzt wurden. Es war nicht ganz klar, wer wen auf dem Weg nach draußen gestützt hatte und von wem der Vorschlag gekommen war, in ein Hotel zu gehen. Jedenfalls waren sie zu guter Letzt im Savoy gelandet, wo sie kurzen Prozeß mit der Minibar machten und dann ins Bett krochen. Harry hatte pflichtbewußt einen vergeblichen Versuch unternommen, sie zu vögeln, aber eswar zu spät. Natürlich war es zu spät. Kristin hatte ihren Kopf in den Kissen begraben und heftig geweint. Als er aufgewacht war, hatte Harry sich aus dem Zimmer geschlichen und war mit einem Taxi in ein Café gefahren, das eine Stunde vor den anderen Löchern öffnete. Er hatte dagehockt und gespürt, wie sehr es zu spät war.
»Ja?«
»Sorry, daß ich so spät anrufe, Lebie, hier ist Harry Hole.« »Holy, so eine Überraschung, wie spät es ist jetzt in Norwegen?«
»Weiß ich nicht. Hör mal, ich bin nicht in Norwegen. Es hat ein paar Probleme mit dem Flugzeug gegeben.«
»Was denn?«
»Es flog ein bißchen zu früh, um es so zu sagen, und es ist gar nicht so leicht, einen neuen Flug zu buchen. Ich brauche bei ein paar Sachen Hilfe.«
»Laß hören!«
»Kannst du mich in der Wohnung von Otto Rechtnagel treffen? Nimm sicherheitshalber ein
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