Der Fledermausmann
Langsamkeit immer unruhiger werden ließ.
»Weil wir zuerst einmal dem Vermieter einen Besuch abstatten sollten.«
Pluto tauchte ohne Vorwarnung am Sternenhimmel auf.
Glebe Point Road erwies sich als eine angenehme, nicht allzu stark befahrene Straße, die zu beiden Seiten von ethnisch geprägten Restaurants aller Herren Länder gesäumt war.
»Das war früher Sydneys Bohemeviertel«, erzählte Andrew. »Ich habe hier in der Gegend in den siebziger Jahren gewohnt. Während meines Studiums. Es gibt noch immer die typischen vegetarischen Restaurants für Umweltschützer und Alternative, lesbische Buchläden und all das Zeugs. Aber die alten Hippies und Freaks sind verschwunden. Seit Glebe in ist,sind die Mieten in die Höhe geschossen, und ich könnte es mir jetzt auch mit meinem Polizeilohn kaum mehr leisten, hier zu wohnen.«
Sie bogen nach rechts in die Hereford Street ein, parkten das Auto und gingen in die Einfahrt von Nummer 54. Ein kleines, schwarzes, zottiges Tier kam kläffend auf sie zu und entblößte eine Reihe spitzer, scharfer Zähne. Das winzige Monster sah richtig wütend aus und hatte verblüffende Ähnlichkeit mit einem Bild des tasmanischen Teufels in der Touristenbroschüre. ›Aggressiv und höchst unerfreulich, wenn man es an der Kehle hängen hat‹, hieß es dort. Die Art war beinahe ausgerottet, und Harry hoffte, daß das wirklich stimmte. Als dieses Exemplar mit weit geöffnetem Rachen an ihm hochspringen wollte, hob Andrew seinen Fuß und beförderte das kreischende Wesen mit einem glatten Volley in den Busch am Zaun.
Ein dickbäuchiger Mann, der aussah, als sei er gerade erst aufgestanden, stand mit säuerlicher Miene in der Tür, als sie die Treppe emporstiegen: »Wo ist der Hund?«
»Der bewundert die Rosen«, grinste ihn Andrew vielsagend an. »Wir kommen von der Polizei, Mordkommission. Mr. Robertson?«
»Jaja, jaja. Was wollen Sie denn jetzt schon wieder? Ich habe doch schon gesagt, daß ich schon alles gesagt habe, was ich weiß.«
»Und jetzt haben Sie gesagt, daß Sie gesagt haben, daß Sie schon alles . . .« Es entstand eine lange Pause, während Andrew unverändert lächelte und Harry sein Gewicht von dem linken auf den rechten Fuß verlagerte.
»Tut mir leid, Mr. Robertson, wir haben nicht vor, Sie länger als nötig mit unserem Charme gefangenzunehmen, aber dieser Mann hier ist Inger Holters Bruder, und er würde gerne ihr Zimmer sehen, wenn Ihnen das nicht zu viele Umstände macht.«
Robertsons Haltung änderte sich schlagartig.
»Oh, entschuldigen Sie, ich hatte ja keine Ahnung... kommen Sie herein !« Er schob die Tür weit auf und ging vor ihnen die Treppe hoch.
»Ja, ich wußte ja nicht einmal, daß Inger einen Bruder hatte. Aber jetzt, wo Sie es sagen, die Ähnlichkeit der Geschwister ist wirklich verblüffend.«
Hinter ihm drehte sich Harry zu Andrew um und verdrehte die Augen.
Es war kein Versuch unternommen worden, Ingers Zimmer aufzuräumen. Überall lagen Kleider herum. Zeitschriften, volle Aschenbecher und leere Weinflaschen.
»Äh, die Polizei bat mich, erst einmal nichts anzurühren.« »Ist schon klar.«
»Sie kam einfach eines Abends nicht nach Hause. War plötzlich wie vom Erdboden verschluckt.«
»Danke, Mr. Robertson, wir haben Ihre Aussage gelesen.«
»Ich habe ihr gesagt, daß sie nachts nicht über die Bridge Road und am Fischmarkt vorbeigehen soll. Es ist total dunkel dort, und es wimmelt nur so von Schwarzen und Gelben . . .« Entsetzt blickte er auf Andrew Kensington: »Entschuldigen Sie, ich hab das nicht so gemeint . . .!«
»Ist schon okay. Sie können jetzt gehen, Mr. Robertson.« Robertson schlurfte die Treppe hinunter. Kurz darauf hörten sie aus der Küche das Geklimper von Flaschen.
Ingers Zimmereinrichtung bestand aus einem Bett, ein paar Regalen und einem Schreibtisch. Harry ließ seinen Blick durch den Raum schweifen und versuchte sich einen Eindruck von Inger Holter zu machen. Transposition: sich in die Rolle des Opfers zu versetzen. Er erinnerte sich nur noch dunkel an das irgendwie burschikose Mädchen auf dem Bildschirm mit ihrem gutgemeinten, jugendlichen Engagement und dem unschuldigen Blick.
Sie gehörte ganz offensichtlich nicht zu diesen hyperhäuslichenFrauen, die ihre ganze freie Zeit dafür nutzten, an ihrem Nest zu bauen. Abgesehen von einem Kinoplakat, Braveheart mit Mel Gibson, und einem kleinen, mit einer Nadel festgesteckten Foto hingen an den Wänden keine Bilder. Harry erinnerte sich an den
Weitere Kostenlose Bücher