Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fledermausmann

Der Fledermausmann

Titel: Der Fledermausmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
Vom Netzwerk:
Nase, als meinte er, Harry rede von wirklichen Alltäglichkeiten. »Warte nur, er kommt.«
    Harry zuckte mit den Schultern. Er konnte wohl kaum allzuviel auf Josephs Behauptung geben, aber er hatte nichts anderes vor, und so gab er ihm noch eine Zigarette. Sie blieben auf der Bank sitzen, während sich die Dunkelheit langsam über sie senkte, immer dichter wurde und zum Schluß fast greifbar zu sein schien.
     
    Eine Kirchenglocke schlug in der Ferne, als Harry seine achte Zigarette anzündete. Sers hatte gesagt, daß er endlich aufhören solle zu rauchen, als er sie das letzte Mal mit ins Kino genommen hatte. Sie hatten sich Robin Hood – König der Diebe angeschaut, das schlechteste Casting, das er diesseits von Plan 9 from Outer Space gesehen hatte. Aber es hatte S ø s nicht gestört, daß Kevin Costners Robin Hood dem Sheriff von Nottingham auf breitestem Amerikanisch geantwortet hatte. Überhaupt ließ sich Søs durch fast nichts stören, sie lachte lustig, wenn Costner im Sherwood Forest für Ordnung sorgte, und seufzte mit Tränen in den Augen, als sich Marian und Robin am Schluß des Filmes endlich in den Armen lagen.
    Anschließend waren sie in ein Café gegangen. Dort hatte er ihr einen Kakao bestellt, und sie hatte ihm erzählt, wie gut ihr ihr neues Zimmer im Studentenwohnheim gefiele, auch wennein paar der Leute auf dem Flur nichts im Kopf hätten. Und dann wollte sie, daß Harry mit dem Rauchen aufhörte. »Ernst sagt, daß das gefährlich ist, daß man daran sterben kann.«
    »Wer ist Ernst?« hatte Harry gefragt, aber die Frage hatte sie nur mit einem Kichern beantwortet. Und dann hatte sie wieder ganz nüchtern gesagt: »Du sollst nicht rauchen, Harald. Du darfst nicht sterben, hörst du?« Das mit »Harald« und »hörst du« hatte sie von der Mutter.
    Mit dem Taufnamen Harry hatte Vater sich durchgesetzt. Harrys Vater, Fredrik Hole, ein Mann, der seiner Frau normalerweise in allem und jedem Recht gab, hatte seine Stimme erhoben und darauf bestanden, daß der Junge nach seinem Großvater benannt wurde, der Seemann und somit sicher ein ganzer Kerl gewesen war. Mutter hatte nach eigener Aussage in einem schwachen Moment nachgegeben, etwas, das sie später bitter bereut hatte.
    »Gibt es irgendwo irgend jemanden, der jemals gehört hat, daß aus einem, der Harry heißt, jemals etwas geworden ist?« hatte sie gesagt. (Und wenn Vater in der richtigen Laune war, zitierte er sie und zog sie wegen all der »jemande« auf).
    Auf jeden Fall begann Mutter, ihn nach ihrem eigenen Onkel »Harald«, zu nennen, nur daß das, abgesehen von ihr selbst, niemand sonderlich wichtig nahm. Und jetzt, nachdem Mutter gestorben war, hatte also auch Søs begonnen, ihn Harald zu nennen. Vielleicht war das Søs ' Art, die durch Mutters Tod entstandene Leere aufzufüllen. Harry wußte es nicht. In dem Kopf dieses Mädchens gingen so viele merkwürdige Dinge vor. So hatte sie zum Beispiel mit Tränen in den Augen und Sahne auf der Nase gestrahlt, als er ihr zugesichert hatte, aufzuhören, wenn schon nicht sofort, so doch sicher irgendwann einmal.
    Jetzt saß er da und stellte sich vor, wie sich der Tabakqualm als große Schlange in seinen Körper hinunterschlängelte. Bubbur.
    Joseph schreckte auf. Er war eingeschlafen.
    »Meine Vorfahren gehörten zum Krähen-Volk, Crow People«, sagte er ohne Einleitung und rappelte sich auf. »Sie konnten fliegen.« Der Schlaf schien ihn erfrischt zu haben. Er rieb sich mit beiden Händen das Gesicht.
    »Fliegen ist toll. Hast du einen Zehner?«
    Harry hatte nur eine Zwanzigdollarnote.
    »Das geht auch«, sagte Joseph und nahm sie ihm ab.
    Als wenn es sich nur um eine vorübergehende Wetterbesserung gehandelt hätte, zogen sich die Wolken wieder über Josephs vernebeltem Gehirn zusammen, und er murmelte in einer unverständlichen Sprache vor sich hin, die Harry an die Unterhaltung zwischen Andrew und Toowoomba erinnerte. Hatte Andrew das nicht Kreol genannt? Schließlich sackte das Kinn des betrunkenen Aborigines wieder auf seine Brust.
     
    Harry hatte sich entschlossen, seine Zigarette noch zu Ende zu rauchen und dann zu gehen, als Robertson auftauchte. Harry erwartete beinahe, ihn in einem Mantel zu sehen, der Standardausrüstung eines Exhibitionisten, wie er glaubte, doch Robertson trug ganz einfach ein weißes T-Shirt und Jeans. Er schaute nach rechts und links und ging mit einem merkwürdig wippenden Gang, als singe er im stillen ein Lied und marschiere automatisch im Takt. Er

Weitere Kostenlose Bücher