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Der Fledermausmann

Der Fledermausmann

Titel: Der Fledermausmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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von hohen Bergen, wo es so schön war, daß Mutter immer gesagt hatte, Gott habe hier sein Werk begonnen und so viel Zeit für die Natur im Romsdal aufgewendet,daß er den Rest der Welt Hals über Kopf hatte erschaffen müssen, um bis Sonntag fertig zu sein.
    Wie es war, mit Vater morgens in aller Frühe auf dem Fjord fischen zu gehen oder am Ufer zu liegen und das Meer zu riechen – während die Möwen schrien und die Berge ringsherum wie stille Wachen ihr kleines Königreich beschützten.
    »Mein Vater stammt aus Lejaskog, einem kleinen Ort noch weiter oben im Tal. Er und Mutter trafen sich bei einem Volksfest in Åndalsnes. Sie redeten ständig davon, als Pensionisten wieder nach Åndalsnes zu ziehen.«
    Toowoomba nickte und trank Bier. Harry nippte an einem weiteren Grapefruitsaft. Sein Bauch begann, langsam sauer zu werden.
    »Ich würde mich freuen, wenn ich dir erzählen könnte, woher ich stamme, Harry, es ist aber einfach so, daß solche wie ich keine Beziehung zu irgendeinem Ort haben. Ich bin in einer Hütte unter der Autobahn in einem Vorort von Brisbane groß geworden. Es gibt niemanden, der weiß, welchem Stamm mein Vater angehört hat, er kam und ging so schnell, daß es niemanden gelang zu fragen. Und meiner Mutter ist es egal, woher sie kommt, solange sie nur genug Geld für eine Flasche Wein auftreiben kann. Es muß reichen, daß ich ein Murri bin.«
    »Und Andrew?«
    »Hat er es dir nicht erzählt?«
    »Was?«
    Toowoomba zog seine Hände wieder zurück Zwischen seinen Augen war eine tiefe Falte. »Andrew Kensington hat noch weniger Wurzeln als ich.«
    Harry fragte nicht weiter, aber nach einem weiteren Bier fing Toowoomba selber wieder davon an.
    »Im Grunde sollte er das selber erzählen, denn Andrew hat eine ganz spezielle Kindheit und Jugend hinter sich. Er gehört nämlich zu der familienlosen Generation der Aborigines.«
    »Wie meinst du das?«»Das ist eine lange Geschichte. Vor allem geht es um schlechtes Gewissen. Schon seit Anfang des Jahrhunderts ist die Ureinwohnerpolitik von dem schlechten Gewissen der Obrigkeit geprägt, weil unser Volk so vielen Übergriffen ausgesetzt war. Es ist einfach schade, daß guter Wille nicht immer reicht. Will man ein Volk regieren, muß man es verstehen.«
    »Und die Aborigines sind nicht verstanden worden?«
    »Es gibt Epochen der unterschiedlichsten Politik. Ich gehöre zu der zwangsurbanisierten Generation. Nach dem Zweiten Weltkrieg meinte die Regierung, daß man die frühere Politik ändern müsse, um zu versuchen, die Ureinwohner zu integrieren, statt sie zu isolieren. Sie versuchten das, indem sie kontrollierten, wo wir wohnten, ja sogar wen wir heirateten. Viele wurden in Städte zwangsumgesiedelt, um sich der europäischen, urbanen Kultur anzupassen. Die Ergebnisse waren katastrophal. Im Laufe ganz kurzer Zeit stürmten wir alle üblen Statistiken: Alkoholismus, Arbeitslosigkeit, Ehescheidungen, Prostitution, Kriminalität, Gewalt und Drogen. You narre it. Die Aborigines waren und blieben Australiens große Verlierer.«
    »Und Andrew?«
    »Andrew wurde vor dem Krieg geboren. Damals lief die Politik der Regierung darauf hinaus, uns zu ›beschützen‹, als wenn wir eine bedrohte Tierart wären. Wir hatten deshalb nur begrenzte Möglichkeiten, Land zu besitzen oder Arbeit zu suchen. Aber das Verrückteste war, daß das Gesetz der Obrigkeit das Recht gab, einer Aborigine-Mutter ihr Kind wegzunehmen, wenn es einen Verdacht gab, daß der Vater nicht Aborigine war Wenn ich auch über meine Geschichte nicht gerade die fetteste Story erzählen kann, es gab auf jeden Fall eine. Andrew hat nichts. Er hat seine Eltern niemals gesehen. Sie haben ihn als Neugeborenen abgeholt und in ein Kinderheim gesteckt. Das einzige, was er weiß, ist, daß man seine Mutter kurz nach dem Kindesraub tot an einer Bushaltestelle fünf Meilen nördlich des Kinderheimes in Bankstown gefundenhat und daß niemand wußte, wie sie dorthin gekommen oder woran sie gestorben war. Der Name des weißen Vaters wurde vor Andrew geheimgehalten, bis es ihn nicht mehr interessierte.«
    Harry versuchte, das alles zu begreifen.
    »Und so etwas war wirklich vor dem Gesetz okay? Was ist mit der UNO, der Menschenrechtserklärung?«
    »Das hat es alles erst nach dem Krieg gegeben. Und denk daran, daß die Aboriginepolitik ja guten Willens war, das Ziel war, die Kultur zu bewahren, nicht sie zu zerstören.«
    »Was geschah weiter mit Andrew?«
    »Sie fanden heraus, daß er ein guter Schüler war

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