Der Fledermausmann
Soweit ist es klar, aber was soll das bedeuten?«
»Suck my hairy, sorry potato ass, you pigfucker . . .«
Es war das erste Mal, daß Lebie in Harrys Gegenwart so viele Worte verlor.
Wie Harry erwartet hatte, war auf der Dienststelle die Hölle los.
»Es steht bei Reuters«, sagte Yong. »AP will einen Fotografen vorbeischicken, und das Büro des Bürgermeisters hat angerufen und uns mitgeteilt, daß NBC ein Fernsehteam herüberfliegen lassen will, um eine Story zu machen.«
Wadkins schüttelte den Kopf.
»Sechstausend Menschen kommen bei einer Springflut in Indien ums Leben und werden in einer kurzen Notiz erwähnt. Aber wenn ein schwuler Clown ein paar Glieder verliert, ist das eine Weltsensation.«
Harry bat die anderen ins Besprechungszimmer. Er schloß die Tür.
»Andrew Kensington ist tot«, sagte er.
Wadkins und Yong schauten ihn entgeistert an. Kurz und ohne Umschweife erzählte Harry, daß sie Andrew in Otto Rechtnagels Wohnung erhängt an der Decke gefunden hatten.
Er schaute ihnen direkt in die Augen und seine Stimme war fest: »Wir haben das nicht telefonisch weitergegeben, um sicher zu sein, daß nicht die falschen Leute davon erfahren. Vielleicht sollten wir versuchen, das vorerst geheimzuhalten.«
Es wurde ihm klar, daß es ihm leichter fiel, darüber zu reden, wenn er es als Polizeifall betrachtete. Dann wurde es zu etwas Konkretem, mit dem er umzugehen wußte. Eine Leiche, eine Todesursache und ein Handlungsverlauf, den sie aufzudecken hatten. Das schob den Tod – dieses fremde Etwas, von dem er nicht wußte, wie er ihm begegnen sollte – für eine Weile beiseite.
»Okay«, sagte Wadkins verwirrt. »Nur ruhig jetzt. Wir dürfen nun keine vorschnellen Schlüsse ziehen !«
Er wischte sich den Schweiß von der Oberlippe. »Lassen Sie mich McCormack holen. Scheiße. Verdammte Scheiße, Kensington, was hast du gemacht? Wenn die Presse Wind davon bekommt . . .« Wadkins verschwand durch die Tür.
Die drei anderen blieben sitzen und lauschten dem Klagelied des Ventilators.
»Er arbeitete hier in der Mordkommission ja ein bißchen von Fall zu Fall«, sagte Lebie. »So gesehen war er eigentlich nicht so richtig einer von uns, aber trotzdem . . .«
»Ein netter Kerl«, sagte Yong und blickte zu Boden. »Ein netter Kerl, er war für mich da, als ich hier angefangen habe, er war . . . ein netter Kerl.«
McCormack verordnete Stillschweigen. Es gefiel ihm gar nicht, er stampfte die zwei Schritte in dem Besprechungszimmer noch schwerer als sonst hin und her, und seine buschigen Augenbrauen zogen sich zu einem grauen Tiefdruckgebiet über seinem Nasenrücken zusammen.
Nach der Besprechung setzte sich Harry an Andrews Schreibtisch und ging seine Aufzeichnungen durch. Er konnte nicht viel daraus entnehmen, nur einige Adressen, ein paar Telefonnummern, die, wie sich herausstellte, zu Autowerkstätten gehörten, und ein paar unverständliche Kritzeleien auf einem Blatt Papier. Die Schubladen waren, abgesehen von ein bißchen Büromaterial, leer. Danach schaute sich Harry die beiden Schlüsselbunde an, die sie bei Andrew gefunden hatten. Der eine trug am Anhänger Andrews Initialen, also ging er davon aus, daß es sich hierbei um Andrews private Schlüssel handeln mußte.
Er nahm den Hörer ab und rief zu Hause bei Birgitta an. Sie war schockiert, stellte ein paar Fragen, ließ aber eigentlich Harry reden.
»Ich begreife nicht«, sagte Harry, »daß ich weinen muß wie ein Kind, wenn ein Typ stirbt, den ich gerade erst einmal eine Woche kenne, ich mir aber beim Tod meiner Mutter nicht eine einzige Träne herauspressen konnte. Meine Mutter, die beste Frau der Welt! Während dieser Typ . . . ich weiß nicht einmal, wie gut wir uns eigentlich kannten. Wo ist da die Logik?«
»Logik«, sagte Birgitta. »Das hat wohl nichts mit Logik zu tun. Außerdem kann man sich nicht so sehr auf die Logik verlassen, wie das die Menschen gerne hätten.«
»Nun, ich wollte nur, daß du es weißt. Behalte es für dich. Kriege ich heute abend, wenn du fertig bist, Besuch?«
Sie zögerte. Sie erwartete in der Nacht ein Telefonat aus Schweden, von ihren Eltern.
»Ich habe Geburtstag«, sagte sie.
»Herzlichen Glückwunsch.«
Harry legte auf. Er spürte, wie ein alter Feind in seinem Magen knurrte.
Nach einer halben Stunde Fahrt erreichten Lebie und Harry Andrew Kensingtons Wohnung. Sie lag an der Sydney Road in Chatwick, einer netten Straße in einem gemütlichen Vorstadtviertel.
»Mein Gott, sind wir
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