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Der Fledermausmann

Der Fledermausmann

Titel: Der Fledermausmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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hier richtig?« fragte Harry, als sie vor der Hausnummer anhielten, die ihnen von der Personalabteilung genannt worden war. Es war eine große, steinerne Villa mit Doppelgarage und einem gepflegten Vorgartenrasen mit Springbrunnen. Ein Kiesweg führte zu einer beeindruckenden Mahagonitür. Ein kleiner Junge öffnete die Tür, als sie klingelten. Er nickte ernsthaft, als sie nach Andrew fragten, zeigte auf sich selbst und legte eine Hand auf seinen Mund, so daß sie verstanden, daß er stumm war. Dann führte er sie zur Rückseite des Hauses und zeigte auf ein kleines, niedriges Häuschen auf der anderen Seite des riesigen Gartens. Bei einem englischen Gut wäre es wohl als Gärtnerhäuschen bezeichnet worden.
    »Wir werden hineingehen«, sagte Harry und bemerkte, daß er überdeutlich sprach. Als wenn auch mit den Ohren des Jungen etwas nicht stimmte.
    »Wir sind . . . waren Kollegen von Andrew. Andrew ist tot.«
    Er hielt Andrews ledernen Schlüsselbund hoch. Der Junge blickte einen Augenblick lang verwirrt auf die Schlüssel und schnappte dann nach Luft.
    »Er ist ganz plötzlich heute nacht gestorben«, sagte Harry. Der Junge blieb mit hängenden Armen vor ihnen stehen, undseine Augen begannen langsam zu glänzen. Harry begriff, daß sich die beiden gut gekannt haben mußten. Er hatte erfahren, daß Andrew seit nunmehr fast zwanzig Jahren hier gewohnt hatte und mit einem Mal begriff er, daß der Junge vermutlich in dem großen Haus aufgewachsen war. Ohne es zu wollen, sah Harry sie vor sich – den kleinen Jungen und den großen schwarzen Mann, wie sie im Garten Fußball spielten oder wie der Kleine weinte und getröstet wurde und Geld kriegte, um schnell Eis und Bier zu holen. Vielleicht war er mit den halbseidenen Ratschlägen und den nicht immer ganz wahren Geschichten von dem Polizisten in dem Gartenhäuschen groß geworden, und später, wenn er erwachsen genug gewesen wäre, hätte er ihm erzählt, wie man mit den Mädchen umzugehen hat und man eine rechte Gerade schlägt, ohne die Deckung zu vernachlässigen.
    »Übrigens, es stimmt nicht, wir waren mehr als Kollegen. Wir waren Freunde. Wir auch«, fügte Harry hinzu. »Ist es in Ordnung für dich, wenn wir hineingehen?«
    Der Junge klapperte mit den Augenlidern, preßte den Mund zusammen und nickte.
    Harry fluchte innerlich. Nimm dich zusammen, Hole, dachte er. Du fängst langsam an, dich wie eine Figur aus einer amerikanischen Seifenoper anzuhören.
     
    Das erste, was ihm auffiel, als sie die kleine Junggesellenwohnung betraten, war die unglaubliche Sauberkeit und Ordnung. In der sparsam möblierten Stube lagen keine Zeitungen auf dem Tischchen vor dem Reisefernseher, und in der Küche wartete kein altes Geschirr auf den Abwasch. Im Flur standen die Schuhe und Stiefel in Reih und Glied und die Enden der Schnürsenkel lagen innen in den Schuhen. Die strenge Ordnung erinnerte ihn an etwas.
    Das Bett im Schlafzimmer war untadelig mit weißen Laken bezogen, und die Bettdecke war so stramm an den Seiten unter der Matratze eingeschlagen, daß man sich auf akrobatischeWeise in den Briefschlitz zwischen den Schichten klemmen mußte, um »unter die Decke« zu kommen. Harry hatte sich auch schon in seinem eigenen Hotelzimmer über dieses komische Deckenarrangement aufgeregt. Er warf einen Blick ins Bad. Auf dem Bord unter dem Spiegel standen Rasiermesser und Seife feinsäuberlich neben Rasierwasser, Zahncreme, Zahnbürste und Shampoo. Das war alles. Auch hier keine Extravaganz, dachte Harry – und plötzlich fiel ihm ein, an was ihn diese penible Ordnung erinnerte: an seine eigene Wohnung, nachdem er mit dem Trinken aufgehört hatte.
    Harrys neues Leben hatte praktisch dort seinen Ausgangspunkt genommen. Eine einfache Übung der Disziplin, die sich darauf begründete, daß alles seinen Platz hatte, auf dem Regal oder in der Schublade, und nach jedem Gebrauch wieder genau dorthin zurückgelegt werden mußte. Nicht einmal ein einfacher Kugelschreiber durfte an einem zufälligen Ort liegen, und auch keine durchgebrannte Sicherung auf dem Boden des Sicherungskastens. Von dem praktischen Aspekt einmal abgesehen, hatte das Ganze natürlich auch eine symbolische Bedeutung – richtig oder falsch, das Chaosniveau in seiner Wohnung war ein Gradmesser für den sonstigen Zustand seines Lebens.
    Harry bat Lebie, die Schränke und Kommoden im Schlafzimmer durchzugehen und wartete damit, das Toilettenschränkchen neben dem Spiegel zu öffnen, bis er gegangen war. Auf dem

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