Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fledermausmann

Der Fledermausmann

Titel: Der Fledermausmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
Vom Netzwerk:
I-i-ich hatte schon Angst, der würde nicht wieder auftauchen. Dann hätten wir alle Schlösser auswechseln müssen. Wo haben Sie den gefunden?«
    »Zu Hause bei Otto Rechtnagel.«
    »Was? Er hat den Schlüssel doch gestern abend benutzt. Seine Garderobentür . . .«
    »Denken Sie nicht daran. Ich frage mich, ob gestern noch andere Menschen als die Akteure hinter der Bühne waren.«
    »Oh, ja, lassen Sie mich nachdenken. Der Beleuchter die zwei Bühnenassistenten und unser Tonmeister. Keine Garderobieren oder Maskenbildner. Das war ja keine große Produktion. Ja, das sind wohl alle. Während der eigentlichen Vorstellung waren es dann nur die Bühnenassistenten und die anderen Akteure, und ich natürlich.«
    »Und Sie haben niemand sonst dort gesehen?«
    »Nee«, antwortete der Wachmann überzeugt.
    »Hätte jemand über einen anderen Weg als durch die Hintertür oder die Tür neben der Bühne hereinkommen können?«
    »Vielleicht, es gibt oben auf der Galerie einen Seitengang. Die Galerie war ja gestern abend geschlossen, aber die Tür war offen, denn der Beleuchter sitzt ja dort oben. Reden Sie mit ihm.«
     
    Die Kropfaugen des Beleuchters quollen wie bei einem Tiefseefisch hervor, den man gerade an Land gezogen hatte. »Doch, warten Sie. Da oben hat vor der Pause jemand gesessen.Wir verkaufen ja nur die Plätze unten im Parkett, wenn wir vorher schon wissen, daß es nicht voll wird, aber es ist im Grunde nicht so merkwürdig, daß jemand da hochgeht, denn der Zugang zur Galerie wird ja nicht abgeschlossen, auch wenn die Platzkarten natürlich für unten sind. Er saß ganz alleine in der letzten Reihe. Ich weiß noch, daß ich mich gewundert habe, daß er so weit hinten sitzen wollte. Nun, es war ja nicht viel Licht, aber ich habe ihn jedenfalls gesehen. Als ich nach der Pause wiederkam, war er, wie gesagt, weg.«
    »Kann er auf dem gleichen Weg wie Sie hinter die Bühne gekommen sein?«
    »Tja«, der Beleuchter kratzte sich am Kopf. »Das nehm ich an. Wenn er direkt in den Requisitenraum gegangen ist, hat ihn wahrscheinlich auch niemand gesehen. Wenn ich richtig nachdenke, sah der Typ auch nicht sonderlich frisch aus. Genau. Ich weiß, da war etwas, etwas, das mich nachdenklich gestimmt hat, das irgendwie nicht richtig gepaßt hat.«
    »Hören Sie«, sagte Harry. »Das ist alles schön und gut. Ich werde Ihnen jetzt ein Bild zeigen . . .«
    »Übrigens war da noch etwas mit dem Mann . . .«
    ». . . aber zuerst«, unterbrach ihn Harry, »möchte ich, daß Sie versuchen, sich den Mann, den Sie gestern gesehen haben, noch einmal genau vorzustellen und mir dann, wenn Sie das Bild sehen, das erste zu sagen, was Ihnen dazu einfällt. Hinterher gebe ich Ihnen dann noch einmal mehr Zeit, Sie können Ihre Aussage dann eventuell auch korrigieren, aber jetzt brauche ich einfach die erste Reaktion. Okay?«
    »In Ordnung«, antwortete der Beleuchter und riß die vorstehenden Augen noch weiter auf, so daß er mehr und mehr wie ein Frosch aussah. »Ich bin bereit.«
    Harry zeigte ihm das Bild.
    »Das ist er!« sagte der Kropfmann wie aus der Pistole geschossen.
    »Nehmen Sie sich etwas mehr Zeit und sagen Sie mir, was Sie glauben«, sagte Harry.
    »Es gibt keinen Zweifel. Das habe ich doch gerade zu sagen versucht, daß, daß der Mann ein Schwarzer war . . . ein Aborigine. Das ist Ihr Mann!«
     
    Harry war müde. Es war bereits ein langer Tag gewesen, und ihm graute davor, an die restlichen Stunden zu denken. Als er von einem Assistenten in den Obduktionssaal geführt wurde, beugte sich Doktor Engelssohns kleine gedrungene Gestalt über einen großen, fetten Frauenkörper, der auf einer Art Operationstisch unter großen Lampen lag. Harry glaubte, an diesem Tag keine weiteren fetten Frauen ertragen zu können und bat den Assistenten, den Doktor darauf aufmerksam zu machen, daß er, Holy, gekommen sei. Er habe heute vormittag angerufen.
    Mit seinem mürrischen Äußeren sah Engelssohn aus wie der Prototyp eines verrückten Professors. Seine wenigen Haare standen in alle Richtungen ab, und die hellen Bartstoppeln schienen ganz zufällig in dem rotwangigen Schweinsgesicht verteilt zu sein.
    »Ja?«
    Harry sah, daß er das erst zwei Stunden zurückliegende Telefongespräch bereits wieder vergessen hatte.
    »Mein Name ist Harry Holy, ich habe Sie angerufen und Sie gebeten, mir die ersten Resultate der Obduktion von Andrew Kensington zu geben.«
    Sogar in diesem Raum voller fremdartiger Gerüche und Lösungsmitteldämpfe konnte Harry

Weitere Kostenlose Bücher