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Der fliegende Brasilianer - Roman

Der fliegende Brasilianer - Roman

Titel: Der fliegende Brasilianer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edition Diá <Berlin>
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auf dem die Erde noch von der Ernte aufgewühlt ist. Als der Ballon sich endgültig seitwärts zu Boden neigt, lassen ein paar Murmeltiere erschrocken von den Rüben ab, die sie ausgescharrt haben, und laufen zu ihren Bauten.
    Einerseits, um sich aufzuwärmen, und andererseits, um sich aus seiner Benommenheit zu lösen, macht Alberto sich daran, den Ballon abzubauen und zusammenzulegen. Er ist mit solchem Eifer bei der Sache, dass er die Bauern nicht bemerkt, die feindselig Sensen und Rechen schwingend näher kommen.
    Tartarin de Tarascon  Die einfachen Bauern bleiben in sicherem Abstand stehen und beraten sich. Da wird Alberto die Männer gewahr und hält in seiner Arbeit inne. Er setzt ein Lächeln auf, behält aber die Sensen und Rechen im Blick und winkt ihnen zu. Die Bauern zögern, ihre anfängliche Entschlossenheit ist erschüttert. Der beängstigende Anblick des fliegenden Monsters, das auf das Rübenfeld gefallen ist und sie in helle Aufregung versetzt hat, ist zu einer nüchternen Szene geworden. Statt der unerhörten Erscheinung steht da nun ein friedlich aussehender Herr und arbeitet an einer Art Stoffballen von ungewöhnlichem Umfang.
    Ein Planwagen erscheint am Horizont und nähert sich mit hoher Geschwindigkeit der Gruppe. Heraus steigt ein katholischer Priester in abgewetzter Soutane, er hält seinen schwarzen Hut fest, der ihm vom Kopf zu fliegen droht. Es ist ein typischer Landpfarrer, alt, dickleibig und mit trägen Gesten, der sich jetzt aber bemüht, Autorität zu beweisen. Kaum ist er ausgestiegen, in der einen Hand die Peitsche und die andere am Hut, wird er von den Bauern umringt.
    Dort, wo er sich befindet, kann Alberto nicht verstehen, was sie sagen, wohl aber hören, dass einige besonders aufgebrachte Bauern schroffe Worte mit dem Pfarrer wechseln. Trotz seiner äußerlichen Trägheit kann der Priester sich offensichtlich mit seinen Argumenten durchsetzen, denn die Bauern senken ihre Sensen und Rechen und lassen den Priester zu Alberto gehen. Erst als der Priester sich schon in der Nähe des eingepackten Ballons befindet, entschließen die Bauern sich, ebenfalls näher zu kommen.
    Sie glauben, dass Sie mit dem Teufel im Bunde stehen, sagt der Priester. So ein Ding ist noch nie in dieser Gegend aufgetaucht.
    Alberto lächelt nicht mehr, während er dem Priester klarzumachen sucht, dass der Teufel mit seinem Flug nichts zu tun habe. Der Priester akzeptiert seine Erklärung und antwortet, er habe in seiner Jugend, als er in Brüssel studierte, so manchen Ballon gesehen. Aber hier, in dieser Wildnis, seien die Menschen sehr rückständig und würden leicht gewalttätig.
    In welcher Gegend von Frankreich befinde ich mich?, fragt Alberto.
    Der Pfarrer sieht den kleinen Mann verblüfft an.
    Hier ist nicht Frankreich, Monsieur, hier ist Belgien.
    Jetzt ist es an Alberto, den Priester verblüfft anzusehen.
    Belgien! Das ist ja wahnsinnig!
    Der Pfarrer zuckt die Achseln und schüttelt den Kopf.
    Wahnsinnig, Monsieur, ist die Fortbewegungsart, die Sie gewählt haben, um nach Belgien zu kommen.
    Aus reiner christlicher Nächstenliebe erklären die Bauern sich bereit, das fliegende Monster zur nächsten Eisenbahnstation zu befördern, nachdem Alberto großzügig handvollweise französische Sous verteilt hat. Die belgischen Bauern haben nichts dagegen.
    Aufregung in der Werkstatt  Lachambre und Machuron sind in Panik. Die letzte Nachricht besagte, der Brasilianer sei in einem Unwetter verschwunden. Sie denken sich tausend Möglichkeiten aus, wie sie den Verwandten des jungen Mannes die schmerzliche Nachricht zukommen lassen sollen.
    Aufregung im 16. Arrondissement  Madame Dumont stellt fest, nicht ohne insgeheim zu toben, dass das Bett des Neffen in den beiden letzten Nächten unberührt geblieben ist. Wo mag sich der Stutzer herumtreiben? Die Cousins wissen von nichts oder beteuern aus männlicher Komplizenschaft ihre Unschuld. Madame gibt sich nicht geschlagen und befragt das Gesinde mit geziemender Diskretion. Aber wie sich erweisen soll, ist diese Mühe vergeblich.
    Der Zauberlehrling  Leicht erkältet taucht Madame Dumonts Neffe wieder zu Hause auf. Seine Kleidung ist eingelaufen, weil sie klitschnass geworden und dann am Körper getrocknet ist, sodass es aussieht, als wäre der junge Mann plötzlich übermäßig gewachsen. Er ist schweigend hereingekommen, schweigend hat er ein Bad genommen – und wie oft dieser Brasilianer badet –, und ohne den Mund aufzumachen, ist er wieder gegangen

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