Der Fliegende Holländer
ermunterte Jane den Professor.
»Danke. Kürzlich, vor ungefähr sechzig Jahren, fand ich heraus, daß hoch radioaktive Strahlung die Wirkung des Elixiers teilweise umkehren kann. Seitdem hatte ich versucht, einen ausreichend leistungsfähigen Atomreaktor zu konstruieren, der genügend Radioaktivität für meine Zwecke liefern konnte. Also mußte ich von da an einen Pakt mit der Atomindustrie eingehen. Ich muß mich dafür entschuldigen, aber es gab keine andere Möglichkeit.«
»Nun ja, wenn Sie meinen«, bemerkte Jane ziemlich gefühllos. »Aber erzählen Sie bitte weiter.«
»Grundsätzlich ist es folgendermaßen: Wenn man einen Menschen, der das Elixier getrunken hat, in das Zentrum einer Kernreaktion bringt, verändert sich dessen Molekularstruktur. Dadurch lockert sich die Struktur auf, und die Moleküle werden regelrecht herausgeschüttelt. Aber die Art des Herausschütteins, die ich erreichen will – nämlich nur den Geruch auszusieben, ohne das komplette Wesen quasi durchs Sieb rutschen zu lassen –, ist nicht leicht zu erreichen, und bis heute habe ich das Ganze noch nicht richtig im Griff. Die auf der Hand liegende Schwierigkeit ist die Gefährlichkeit der radioaktiven Strahlung, und ich war nicht erpicht darauf, das an mir selbst auszuprobieren; übrigens auch nicht an jemand anderem, nicht einmal an Kapitän Vanderdecker – obwohl der mich in erster Linie in diese Lage gebracht hat. Aber dann fiel mir der Kater ein, an dem ich das Elixier zum erstenmal ausprobiert hatte. Es gelang mir, ihn aufzuspüren und hierherbringen zu lassen. Nach ein paar Experimenten in Dounreay stellte sich heraus, daß der Geruch zeitweise dadurch unterdrückt werden kann, wenn man den Kater längere Zeit radioaktiver Strahlung eines bestimmten Typs aussetzt, was übrigens ein bißchen der modernen Art der Lebensmittelbestrahlung ähnelt. Die bislang längste Zeitspanne, die der Geruch unterbunden werden kann, beträgt einen Monat, und bald müssen Percy und ich wieder nach Dounreay, um uns eine neue Dosis zu verabreichen.«
»Percy?«
Montalban errötete leicht. »Ich nenne den Kater Percy. Das ist eine Kurzform von Parsifal. Die heilige Unschuld, verstehen Sie?«
Jane verstand das zwar nicht, machte sich deswegen aber keine weiteren Gedanken und bat den Professor fortzufahren.
»Und das ist also meine Arbeit, meine Beschäftigung über die Jahre hinweg. Die Cirencester-Gruppe, die, seit ich das Haus gebaut habe, von hier aus operiert, besteht aus allen den Leuten, deren Unterstützung ich benötige – aus Bankiers, Finanziers, Werbeleuten, Industriellen, Leitern von Regierungsstellen …«
»Warten Sie!« rief Danny dazwischen, dessen Kugelschreiber ihm gerade den Dienst versagte. »So, jetzt. Was kam noch mal nach Bankiers?«
»… und natürlich dem Intendanten des Klassiksenders Radio Three. Ohne diese Leute …«
Danny hatte seinen Ersatzstift fallen lassen. »Was haben Sie eben gesagt?«
»Dem Intendanten von Radio Three«, wiederholte der Professor. »Ohne ihn bräche das gesamte System zusammen. Und jetzt …«
»Warum?« verlangte Danny zu wissen.
»Tut mir leid, ich war der Meinung, das alles schon einmal erklärt zu haben. Ich sagte bereits, daß mein Computer ein System benutzt, das auf der Grundlage von Musiknoten beruht. Nun, im Grunde ist das System nichts anderes als musikalische Notation. Man kann sich ohne jede Schwierigkeit ans Klavier setzen und eins meiner Programme spielen, und gewöhnlich (möchte ich in aller Bescheidenheit behaupten) mit großem Vergnügen. Ich möchte sogar wetten, daß Sie eine ganze Menge meiner Programme auswendig kennen. Natürlich habe ich sie alle unter verschiedenen Pseudonymen geschrieben …«
»Zum Beispiel?« fragte Danny.
»Bartók«, antwortete der Professor. »Mendelssohn, Sibelius, Chopin, Mozart, Elgar, Delius, Händel, Ravel, Schubert, Jelly Roll Morton …«
Danny sperrte Mund und Nase auf. »Wirklich?«
»Ja, natürlich.«
»Das glaube ich nicht.«
Der Professor lächelte. »Sie glauben mir ohne weiteres, daß ich den Computer und das elektrische Licht erfunden habe, aber nicht, daß ich die Eroica oder die Rhapsody in Blue geschrieben habe – die zufälligerweise beide nicht viel mehr als simple Textverarbeitungsprogramme sind. Na ja, man sagt, der Prophet gilt nichts im eigenen Land. Ich will es Ihnen demonstrieren.«
Der Professor stand auf und begab zu der recht beeindruckenden Hifi-Anlage hinüber. Dort wählte er eine CD aus und
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