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Der Fliegende Holländer

Der Fliegende Holländer

Titel: Der Fliegende Holländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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ist vielleicht ein anderes. Jane probierte den anderen Kanal aus und entdeckte die Indexnummer für die neuesten Nachrichten. Sie gab die erforderliche Zahlenkombination auf der Fernbedienung ein und erhielt die australischen Ergebnisse der American-Football-League.
    Sie kam zu dem Schluß, daß man ein Vermögen verdienen müßte, wenn man die Brieftaube noch einmal erfinden würde. Oder Rauchsignale. Schlauerweise ging sie zum Hauptinhaltsverzeichnis zurück und gab von dort aus die Zahl für das Rezept ein. Es gab ein buntes Geflimmer, der Fernsehapparat sang ›I Did It My Way‹, und sie bekam die australischen Footballergebnisse geliefert. Melbourne, so schien es, lag diese Saison gut im Rennen. Vorwärts, Jungs!
    Vielleicht wird in den Nachrichten gar nicht darüber berichtet, fiel Jane siedendheiß ein. Was, wenn Harvey und seine Kollegen eine totale Nachrichtensperre verhängt hatten? Womöglich war das auch der Grund gewesen, weshalb er so eilig davongefahren war, gleich nachdem die Hubschrauber abgehoben hatten. Jane war ein Kind des Medienzeitalters, und im Hinterkopf hielt sie instinktiv an dem Glauben fest, daß etwas, das nicht in den Nachrichten kam, gar nicht wirklich passiert sein konnte. Wenn Harvey also verhindern konnte, daß es gesendet wurde, würde das Ganze vielleicht gar nicht geschehen, wie ein Filmprojektor, in dem der Film rückwärts läuft. Nein. Unwahrscheinlich.
    Jane legte die Fernbedienung hin und trat ans Fenster. Draußen regnete es. Das war dieser langsame, sanfte und extrem feuchte Cotswold-Regen, der einst Wassermühlen angetrieben und in der einen oder anderen Weise etwas mit dem Wollhandel zu tun gehabt hatte. Geschichte war auf der Schule nie ihr stärkstes Fach gewesen, und beim Thema Wollhandel taten sich bei ihr klaffende Wissenslücken auf. Entsprechend schwer fiel es ihr, sich an irgendwelche Einzelheiten zu erinnern. Was konnte Regen mit Wolle zu tun gehabt haben? Machte er den Boden so matschig, daß man wegen der Huffäule keine Kühe halten konnte und statt dessen Schafe züchten mußte? Hatte der Regen etwas mit dem Wollhandel zu tun? Hatte es überhaupt jemals einen Wollhandel gegeben? Ja, denn schließlich hatte sie jemanden kennengelernt, der etwas damit zu tun gehabt hatte. Der Wollhandel, die Hanse, die Spanischen Niederlande … Ihr waren das böhmische Dörfer. Seltsam, sich vorzustellen, daß ein einziger Mensch das alles erlebt haben soll.
    Dann erinnerte sie sich an ein Lied, das sie im Schulchor gesungen hatte. Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord. In den Kesseln da faulte das Wasser, und täglich ging einer über Bord. Der Ärmste. Es mußte schlimm für ihn gewesen sein.
    Eine geschichtliche Episode, die selbst sie sich gemerkt hatte, war die Sage vom Schottenkönig Robert Bruce und der Spinne, weil sie Angst vor Spinnen hatte. Also zurück zum Videotext. Versuch’s noch einmal, Jane! Mit Bedacht suchte sie das erforderliche Inhaltsverzeichnis aus und gab die Nummer für die australischen Footballergebnisse ein. Sie erhielt die Footballergebnisse, während ein unsichtbares Orchester ›They Call The Wind Maria‹ spielte.
    Wie der Apostel Paulus auf der Straße nach Damaskus hatte Jane plötzlich eine Erleuchtung. Ihr fiel es wie Schuppen von den Augen; während sie im Wohnzimmer eines Hauses außerhalb von Cirencester in Socken dastand, hatte Jane Doland ganz allein eins der unergründlichsten Rätsel des zwanzigsten Jahrhunderts gelöst. Sie wußte jetzt, warum zum Videotext Hintergrundmusik gespielt wurde, und sie kannte das Prinzip, nach dem diese ausgewählt wurde.
    Jetzt mußte sie nur noch den Decoder des Professors finden, was ihr allerdings nicht leichtfallen dürfte, denn angesichts der Vorliebe Montalbans für Tarnungen konnte er alles sein; das georgianische Teeservice, die Dresdner Hirtin, die Messinguhr, der kleine schwarze Kasten mit der Aufschrift ›Decoder‹ …
    Mit zitternden Händen steckte sie das Kabel in die Steckdose und schaltete das Gerät ein. Als der Fernsehapparat ›Thank Heaven For Little Girls‹ anstimmte, war ein brummendes Geräusch aus dem Decoder zu hören, ein Pfeifen, ein Zischen, und dann begann eine mechanische Roboterstimme zu sprechen.
    »Melbourne sechzehn, Perth null«, sagte die Stimme.
    »Verdammt!« fluchte Jane. In einem plötzlichen Wutanfall schnappte sie sich die Fernbedienung und knallte sie auf den Fußboden. Auf dem Bildschirm war ein Schneesturm aus farbigen Lichtpunkten zu

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