Der Fliegende Holländer
halbwegs so ausgesehen, wie ich mich damals gefühlt hab, wäre er schon ein entsetzlich erbärmlicher Anblick gewesen. Ich fragte mich natürlich, ob seine Truhe auch bis zum Deckel mit Jute vollgestopft war. Übrigens hab ich mich oft gefragt, was Sir Francis mit dem ganzen Zeugs gemacht hat, das er mir geklaut hat. Ich wette, er hatte keine Probleme, es loszuwerden.
Sie müssen schon entschuldigen, aber ich neige dazu, hin und wieder vom Thema abzuweichen. Dieser südländische Typ kam also herein und setzte sich in die Kneipe. Als ich ihm etwas zu trinken ausgeben wollte, schien er beleidigt zu sein.
›Danke, aber ich kann meine Getränke selbst bezahlen‹, sagte er. ›Das ist nun wirklich mein geringstes Problem.‹
Wohl etwas empfindlich der Knabe, dachte ich bei mir, wohl ein wenig übernervös.
›Na prima, dann kannst du mir ja einen ausgeben‹, konterte ich.
Er sah mich verblüfft an, und ich glaube, er mußte bemerkt haben, daß ich noch meine hohen Stiefel und die Schiffsklamotten anhatte, weil er plötzlich immer freundlicher wurde.
›Wenn du mir sagen kannst, wo ich ein Schiff finde, das mich nach England rüberbringt, kannst du auf meine Kosten so viel trinken, wie du willst‹, sagte er.
›England?‹ staunte ich. ›Du willst doch wohl nicht wirklich dahin, oder? Die Engländer sind nichts als ein Haufen hundsgemeiner Diebe. Die stechen dich glatt für deine paar Knöpfe am Wams ab.‹
Aber der Kerl schüttelte nur den Kopf und sagte: ›Immer noch besser als bei lebendigem Leib verbrannt zu werden, denn genau das wird mit mir geschehen, wenn ich hier noch länger bleibe. Ich muß so schnell wie möglich in ein protestantisches Land.‹
Mir gefiel das alles überhaupt nicht, aber er gab nicht auf und sagte: ›Wenn du mir ein Schiff besorgst, das mich nach England bringt, werde ich dir einhundert Dublonen geben, und zwar bar in die Hand.‹
Für jemandem, der sich gerade aus dem Jutehandel zurückgezogen hatte, klang das einfach zu verlockend, um es abzulehnen, auch wenn diesem Mann eindeutig drei Sols am Livre fehlten, wie wir als Kinder zu sagen pflegten. ›Was würdest du mir denn bezahlen, wenn ich dir mein eigenes Schiff zur Verfügung stelle?‹ fragte ich ihn.
›Denk dir einfach irgendeine Zahl aus‹, antwortete er, ›und dann verdopple sie. Ich kann’s mir leisten, da kannst du sicher sein.‹
›Wenn das so ist, wer bist du dann überhaupt?‹ fragte ich ihn.
›Ist das wichtig?‹ antwortete er.
›Nein, ich leide nur an unverbesserlicher Neugier‹, erwiderte ich, was übrigens zufälligerweise der Wahrheit entspricht.
›Ich heiße Juan de Montalban, aber Handel treibe ich unter dem Namen Fortunatus Magnus. Wahrscheinlich hast du schon von mir gehört‹, plusterte er sich auf.
Ich murmelte so etwas in der Richtung vor mich hin, wie schnell man doch den Kontakt zur Außenwelt verliert, wenn man in meiner Branche tätig ist, aber ich konnte ihm ansehen, daß er enttäuscht war. Obwohl es stimmt, was ich sage. Man kriegt einfach nichts mehr mit, wenn man fast sein ganzes Leben auf offener See verbringt.
›Wie du wissen mußt, bin ich ein Alchimist‹, fuhr er fort.
›Du meinst, du heilst Kopfschmerzen und solche Sachen?‹ fragte ich ihn.
›Das bestimmt nicht‹, widersprach er entschieden. ›Ich bin Philosoph, und ich hab die Lösung für das Rätsel der Transmigration der Elemente entdeckt.‹
Ich war verblüfft und fragte ihn: ›Wie, du kannst unedles Metall in Gold verwandeln und all so was?‹
Er grinste mich nur höhnisch an und antwortete: ›Das nennt man Transmutation, nicht Transmigration. Glaub mir, das ist nur ein ganz simpler Trick, obwohl er sich lohnt. Deshalb wende ich ihn auch manchmal an.‹
Plötzlich verstand ich, warum er es so eilig hatte, Spanien zu verlassen. Unabhängig davon, daß sie gegenüber Ketzern kein Erbarmen kannten – und Alchimisten sind erklärtermaßen Ketzer –, hatten die Spanier eine Heidenangst vor allem, was ihre nette kleine Monopolstellung auf Gold und Silber hätte gefährden können, die sie seit Cortes’ Amerika-Expeditionen eingenommen hatten. Sind Sie schon mal in Amerika gewesen? Komische Gegend. Man kriegt dort nirgendwo ein anständig gekochtes Ei, nicht für Geld und gute Worte.
›Wie dem auch sei, ich gebe dir fünftausend Dublonen, wenn du mich nach Bristol bringst‹, fuhr er fort und fügte hinzu: ›Echte spanische Münzen. Ich käme niemals auf die Idee, dir dieses selbstgemachte Zeug
Weitere Kostenlose Bücher