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Der Fliegende Holländer

Der Fliegende Holländer

Titel: Der Fliegende Holländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Augen geblinzelt hatte, wurde einem bereits die Antwort serviert. Aber Jane hatte nichts herausfinden können, was ganz sicher bedeutete, daß es nichts herauszufinden gab und dieser ganze Vanderdecker-Blödsinn allein ihrer Einbildung entsprungen war.
    Der Kaffeeautomat durchlebte gerade wieder einen seiner krampfartigen Anfälle der bedingungslosen Verneinung sämtlicher Normen und Werte, während der er stets nur eine kalte graue Flüssigkeit produzierte, über die er weißes Pulver schüttete, und Jane entschied sich statt dessen lieber für Tee. Der Tee kam aus einem Gerät, das wie ein altertümlicher Ritterhelm aussah, und schmeckte grundsätzlich so, als hätte sich der Ritter lange nicht mehr die Haare gewaschen. Jane konnte aber durchaus damit leben, da ihre berufliche Zukunft jetzt etwas berechenbarer zu sein schien. Es ist schon bemerkenswert, wie schnell einem die Langeweile vergehen kann, wenn man mit einer Mietforderung konfrontiert wird. Als ihr Snoopy-Becher voll war, begab sie sich wieder an ihren Schreibtisch und schlug die RPQ-Akte auf.
    Nachdem sie eine halbe Stunde lang darin gelesen hatte, mußte sie zu ihrem eigenen Erstaunen feststellen, daß sie beinahe Vergnügen daran empfand. Sie hatte schon seit langem eine fast krankhafte Neugierde für die Leute entwickelt, die die Firma kurz vor ihrem eigenen Beitritt verlassen hatten. Wären diese Leute noch bei Moss Berwick angestellt gewesen und Jane dort persönlich begegnet, hätte sie die ehemaligen Mitarbeiter wahrscheinlich in ihrem Gedächtnis unter dem Stichwort ›Kotzbrocken‹ abgeheftet, womit der Fall erledigt gewesen wäre. Da Jane diese Leute aber allein aufgrund ihrer Briefe und Aktennotizen kannte, konnte sie sich diese Menschen in Gedanken so vorstellen, wie sie eigentlich hätten sein sollen. Die meisten Namen kannte sie bereits, aber einige Exkollegen tauchten nur mit ihren Initialen oder Zeichen auf, was ihnen natürlich einen ganz besonderen Glanz verlieh. Zum Beispiel hätte sie liebend gern mehr über RS/AC/5612 gewußt. Ähnlich wie ein Hollywood-Star in einer dreiminütigen Nebenrolle hatte er in der RPQ-Akte zwar nur ein kurzes, aber um so faszinierenderes Gastspiel mit dem Diktieren von vier Briefen gegeben, um dann genauso plötzlich, wie er aufgetaucht war, wieder von der Bildfläche zu verschwinden. Sie stellte sich ihn – es mußte sich eindeutig um eine männliche Person handeln – als einen großen Mann mit tiefen Augenhöhlen und langen feingliedrigen Händen vor, der irgendwann der Buchhaltung den Rücken gekehrt hatte, um den großen Roman seines Lebens zu schreiben, und an Schwindsucht gestorben war. Das entgegengesetzte Extrem zu RS/AC/5612 stellte APC/JL dar; ein alter Mann, zerrüttet vor Einsamkeit und Enttäuschung, der im Angesicht der dahinschwindenden Jugend um den Erhalt seines Arbeitsplatzes gekämpft und sich an die RPQ-Akte als letzte Chance geklammert hatte, sich einen Namen zu machen. Sein Abschiedsbrief an Johnson Chance Davison strotzte vor mitleiderregender Würde, und seine letzten Worte ›in Erwartung Ihrer Antwort verbleiben wir hochachtungsvoll‹ rührten Jane fast zu Tränen.
    Plötzlich erstarrte sie vor Schreck. Instinktiv wußte sie, daß sich die gerade vor ihr liegende Aufzeichnung von allen anderen unterschied, zumal sie von Hand geschrieben war. Die Schrift war ungleichmäßig, und folgendes war dort zu lesen:
     
    DIE VANDERDECKER-POLICE
    Das hier hat nichts mit RPQ zu tun. Es ist eine Warnung, falls man mit Ihnen dasselbe vorhat wie mit mir.
    Ich habe etwas über die Vanderdecker-Police herausgefunden – das ist der eigentliche Name für das sogenannte DING. Wer immer Sie auch sein mögen, es steht jedenfalls so gut wie fest, daß Sie auch irgendwas über diese Police herausgefunden haben müssen, denn sonst hätte man Ihnen diese Akte erst gar nicht gegeben.
    Die Vanderdecker-Police ist wichtig. Sie ist so wichtig, daß jeder, der auf sie stößt, die RPQ-Akte kriegt. So wichtig ist diese Police. Tut mir leid, wenn Sie meine Schrift kaum lesen können, aber ich habe mich nicht getraut, es jemanden zum Tippen zu geben, damit niemand dahinterkommt. Deshalb habe ich diese Mitteilung auch hier deponiert, weil außer Ihnen niemand freiwillig auf die Idee kommt, einen Blick in diese Akte zu werfen – und Sie nur deshalb, weil man herausgefunden hat, daß Sie etwas herausgefunden haben. Deshalb hat man Ihnen die RPQ-Akte gegeben.
    Ich kann es nicht riskieren, irgendwas hinsichtlich

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