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Der Fliegende Holländer

Der Fliegende Holländer

Titel: Der Fliegende Holländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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der Vanderdecker-Police zu unternehmen. Ich kann Ihnen nicht einmal sagen, wo Sie nachschauen müssen oder was ich herausgefunden habe. Ich verlasse jetzt die Firma und werde irgendwo auf der Welt, wo man mich nicht finden kann, ein neues Leben beginnen.
    Was immer Sie vorhaben, lassen Sie die anderen bloß nicht wissen, daß Sie wissen, daß die anderen wissen, daß Sie Bescheid wissen. Bleiben Sie, um Himmels willen, so lange am Ball wie möglich. Früher oder später muß jemand auspacken. So kann es jedenfalls nicht länger weitergehen, die Sache muß gestoppt werden.
    Machen Sie also einfach so weiter, als sei nichts geschehen. Tun Sie so, als wüßten Sie nichts davon, daß die anderen Bescheid wissen. Sobald Sie diese Nachricht gelesen haben, reißen Sie bitte den Zettel heraus und verbrennen Sie ihn.
     
    Jane blickte sich ängstlich um, riß den Zettel aus dem Ordner, faltete ihn zusammen und steckte ihn in die Tasche. Ihr Herz schlug wie ein Preßlufthammer.
    Irgendwie überstand sie den Rest des Tages und fuhr ganz normal mit der U-Bahn nach Hause. Wenn sie einmal nicht über die Schulter hinweg nach ihren Mördern Ausschau hielt, versuchte sie sich einzureden, daß es sich nur um einen bedauernswerten Dummkopf handelte, der nach zu vielen Kontoabschlüssen irgendwann durchgedreht war. Andererseits war der Name Vanderdecker zu wichtig und auffällig, als das sie über ihn hinwegsehen konnte.
    Jane packte alles, was sie ihrer Meinung nach gebrauchen konnte, in ihr Auto – zusätzlich ein Glas Marmelade und ihre Wärmflasche mit dem weichen Tigerfellüberzug – und fuhr los. Am ersten Geldautomaten der National Lombard Bank hielt sie an und hob so viel Geld ab, wie der Apparat auszuspucken bereit war. Wäre Sie doch nur nicht so dämlich gewesen, auf die Werbekampagne mit diesen blöden Schimmeln hereinzufallen, dann hätte sie jetzt ein Konto bei einer anderen Bank, und ihr Aufenthaltsort würde nicht jedesmal an den Hauptcomputer in Slough verraten, sobald sie irgendwo etwas abhob.
    Die Frage war, wohin sie überhaupt fahren sollte, und eine Antwort darauf zu finden, war gar nicht so einfach. Als erstes dachte sie an das Haus ihrer Eltern, aber schon der Gedanke daran ließ sie erschaudern; ihr Vater war, neun Monate nachdem er sich an der Küste von Sussex zur Ruhe gesetzt hatte, auf die Werbung des National Lombard Unit Trusts hereingefallen. Aber bestimmt würde man sich nicht an ihren Eltern vergreifen … oder vielleicht doch? Lieber erst gar nicht daran denken …
    Wohin dann? Ihre Schwester hatte eine Hypothek bei der National Lombard Home Loan aufgenommen, also kam sie auch nicht in Betracht. Seit sie diese schnöde Welt hinter sich gelassen hatte, um sich mit Haut und Haaren der Buchhaltung zu verschreiben, hatte sie ihren gesamten Bekanntenkreis immer wieder mit Geschichten aus ihrem Berufsleben zu Tode gelangweilt, und deshalb blieb nur noch eine Person übrig …
    Nein, niemals!
    Aber warum eigentlich nicht? Immerhin wohnt sie weit entfernt von London, und selbst Schwachköpfe können von Nutzen sein.
    Jane entdeckte eine Telefonzelle und holte ihr Notizbuch hervor. Glücklicherweise hatten die ortsansässigen Telefonzellendemolierer die Drucktasten heil gelassen. Sie wählte eine Nummer in Wick an, wo sich am anderen Ende der Leitung sogar jemand meldete.
    »Bist du’s, Shirley?« fragte Jane, und Shirley antwortete mit »Ja.«
    Jane holte tief Atem. Auch wenn möglicherweise ihr Leben auf dem Spiel stand, war das, was sie vorhatte, äußerst geschmacklos, und sie ekelte sich vor sich selbst.
    »Hör mal, Shirley« – sie würgte diese Worte wie einen lebendigen Wurm aus dem Hals –, »ich bin für etwa eine Woche ganz in deiner Nähe und würde gern ein paar Tage bei euch verbringen.«
    »Nun, das alles kommt ein bißchen kurzfristig, findest du nicht?«
    Jane preßte die Fingernägel gegen die Handfläche, bis die Schmerzen unerträglich wurden. Schließlich überwand sie sich und sagte: »Hör mal, Shirley, ich bin in einer Telefonzelle und hab nicht viel Kleingeld dabei. Also, geht das in Ordnung? Ich werde irgendwann morgen nachmittag eintreffen. Bis dann.«
    Sie knallte rasch den Hörer auf und sprang wieder ins Auto.
    So wie die Dinge standen, wäre es vielleicht doch besser gewesen, ermordet zu werden.
     
    Der Wind stand günstig, und Schottland bot eine willkommene Abwechslung. Es war wirklich einmal etwas völlig anderes, nach irgendwo anstatt nach nirgendwo zu fahren, und auf

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