Der Fliegende Holländer
das denn?« fragte Jane neugierig.
Vanderdecker dachte nach. »Nein.«
»Und warum nicht? Für mich hört sich das nach einer guten Idee an.«
»Ist es aber nicht«, widersprach der Fliegende Holländer. »Deswegen haben Sie mich also gefragt, ob ich jemals an Größenwahn gelitten oder das Verlangen verspürt hab, die Welt zu beherrschen. Meine Antwort lautet aber nach wie vor nein. Ich meine, der Gedanke klingt ja recht verlockend, daß ich Zinssätze in Ordnung bringe, die Inflation besiege und die Reichen leer ausgehen lasse und so weiter, aber so etwas liegt mir einfach nicht. Verdammt noch mal, ich hab damals in den achtziger Jahren des sechzehnten Jahrhunderts noch nicht mal den Jutemarkt kapiert. Ich würde alles nur noch schlimmer machen, als es jetzt schon ist.«
»Warum also nicht tun, was die Versicherung von Ihnen will?« fragte Jane. »Dadurch würde sich auch für Sie alles einfacher gestalten.«
»Ach ja? Wirklich?«
»Wenigstens könnte das so sein«, beharrte Jane. »Sie müßten lediglich über den richtigen Preis nachdenken.«
»Reden Sie weiter.«
»Sie könnten so etwas wie eine inflationsabhängige Leibrente verlangen«, schlug Jane vor. »Beginnend mit zwei Millionen Pfund pro Jahr, plus eventuell benötigtem Personenschutz und entsprechender Unterstützung bei behördlichen und sonstigen Angelegenheiten. Reisepässe, Ausweise, ein neues Schiff, Schriftstücke mit den Unterschriften von Präsidenten und Premierministern, um sie den Zollbeamten und den Leuten von der Küstenwache unter die Nase zu halten. Alles, was nötig ist, um Ihnen das Leben zu erleichtern. Nie mehr müßten Sie sich irgendwo herumtreiben, sich verstecken oder Ihr Schiff in Bridport auf Jeanes’ Werft reparieren lassen, weil es keinen anderen Ort gibt, wo Sie sich hintrauen. Sie könnten überhaupt alles verlangen, was Sie wollen. Eine neue Identität. Niemand würde Fragen stellen. Sie könnten sogar endlich ihr Leben genießen und müßten sich nicht die ganze Zeit auf hoher See herumtreiben.«
»Und was ist mit dem Geruch?«
»Na und? Verlangen Sie doch einfach, daß man Ihnen einen massiven Spezialbunker mit Klimaanlage oben auf den Pyrenäen baut. Hundert Spezialbunker! In jedem Land einen. Richtige Howard-Hughes-Dinger. Das wär nun wirklich kein Problem.«
Vanderdecker dachte nach und grinste dann. »Das ist wirklich sehr nett von Ihnen, und ich weiß Ihr Angebot zu schätzen, aber ich bin trotzdem dagegen. Ich finde, wir lassen lieber alles beim alten.«
Jane hatte ein Gefühl, als hätte ihr gerade jemand Sand in die Ohren gepumpt. »Und warum?«
»Das weiß ich auch nicht«, gestand Vanderdecker. »In erster Linie aus einem Instinkt heraus.« Er hielt inne und stützte das Kinn auf die Hände. »Ich kann mich daran erinnern, mal irgendwo etwas über diese Tramps gelesen zu haben. Menschen also, die, nachdem sie viele Jahre lang ein hartes Leben geführt hatten, dazu überredet wurden, aus Wind und Wetter heraus in ein schönes, sauberes Wohnheim zu ziehen. Saubere Kleidung, richtige Betten, warmes Essen. Nach einer Woche oder so fingen alle an, auf dem Fußboden zu schlafen, die ganze Zeit dieselbe Kleidung zu tragen und die Abfälle aus den Mülleimern zu essen. Dem Personal wollte das überhaupt nicht in den Kopf, aber die Tramps trauten den Betten, den Kleidern und dem Essen einfach nicht; sie glaubten, in einer Art Falle zu sitzen, und wollten damit nichts zu tun haben. Nach einer gewissen Zeit wird man so.«
»Ich verstehe«, sagte Jane betrübt. »Also waren meine Bemühungen vergebens, nicht wahr?«
»Sieht ganz so aus. Tut mir wirklich leid.«
Jane überlegte kurz. »Und wie wäre es, wenn Sie es als einen persönlichen Gefallen für mich täten?«
Vanderdecker starrte sie verdutzt an. »Wie bitte? Können Sie das noch mal wiederholen?«
»Als einen persönlichen Gefallen für mich«, wiederholte Jane. »Um mir aus der Patsche zu helfen.«
»Aber …« Vanderdecker verstummte und schaute Jane in die Augen. Vielleicht entdeckte er dort etwas, das er lange nicht mehr gesehen hatte. »Sie meinen, weil ich Sie mag oder so?«
»Einfach deshalb, weil Sie ein netter Mensch sind. So, wie man jemandem im Verkehr freiwillig den Vorrang läßt oder seinen Platz in der U-Bahn anbietet.«
»Von der Warte aus hab ich das noch gar nicht betrachtet«, räumte Vanderdecker ein.
»Dann versuchen Sie’s.«
Vanderdecker holte tief Luft. »Hab ich Ihnen eigentlich schon von meinen Abenteuern in der
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