Der Fliegende Holländer
Und du willst sie allein aufgrund der Kosten für die Miete eines lächerlichen Boots aufs Spiel setzen!«
»Was war Westlands?«
Tief aus dem Kehlkopf heraus gab Danny ein Geräusch von sich, das an widerspenstigen Leinenstoff erinnerte, wenn man ihn in schmale Streifen zerreißt. »Jetzt mach bloß keinen Scheiß!« fluchte er. »Mein Gott! Was für ’ne Art, eine Fernsehgesellschaft zu führen! Verstehst du nicht? Ich will nichts als ein verdammtes Boot mieten, um ’n paar Aufnahmen zu machen.«
»Das verstehe ich, ja. Was ich nicht verstehe: Warum? Das ist sozusagen der Punkt, wo unsere gemeinsame Kommunikationsschnittstelle einen technischen Defekt zu haben scheint.«
»Aber kannst du nicht …« Danny schwieg, und wie der erste warme Regen im Frühling nahm eine Idee in seinem Kopf Gestalt an. »Ach, du kannst mich mal am Arsch lecken!«
»Wie bitte?«
»Das wird dir noch leid tun!« zischte Danny. Dann knallte er den Hörer auf die Gabel und rettete die Telefonkarte aus den Fängen des Apparats. Eigentlich ist alles zum Heulen einfach, sagte er sich. Ich miete selbst ein Boot. Oder, um genau zu sein, ich setze es auf die Spesenrechnung. Alexander der Große zerschlug den gordischen Knoten, den er nicht entwirren konnte, einfach mit dem Schwert. Ganz ähnlich hatte Danny jetzt den Punkt erreicht, wo sich nichts mehr zwischen ihn und die Story stellen konnte. Sollte eines Tages über diesen Dokumentarfilm ein Dokumentarfilm gedreht werden, hätte der Schauspieler, der ihn, Danny Bennett, darstellen würde, bei dieser Szene eine Menge zu tun. Eiligen Schrittes verließ er die Telefonzelle und machte sich auf die Suche nach einem Boot.
Zwar konnte er kein besonders gutes Boot mehr auftreiben, aber nach modernen Gesichtspunkten war das die berühmte Hochseejacht Golden Hinde auch nicht. Es war funktionell und sollte seine Aufgabe erfüllen. Danny trieb die Kameracrew samt Tontechnikern auf das Boot, gab dem Steuermann zu verstehen, daß es Zeit zum Aufbrechen sei, und setzte sich hin, um die nötigen Vorbereitungen zu treffen.
Etwa eine halbe Stunde später beugte sich der Bootsführer zu ihm herüber und fragte: »Sind Sie sicher, daß der Kahn hiergewesen ist?«
»Ja.«
»Nun«, fuhr der Bootsführer mit der Autorität eines Papstes fort, »jetzt ist er nicht mehr hier.«
»Dann muß das Schiff woanders hingefahren sein«, stellte Danny treffenderweise fest. »Ich schlage vor, Sie suchen es.«
»Und wo?«
»Das weiß ich doch nicht!« fauchte Danny ihn an. »Lassen Sie sich gefälligst was einfallen!«
Der Bootsführer zuckte die Achseln und spielte am Motor herum. Die Leute von der Kameracrew tauschten untereinander Blicke aus, deren einzigartige Variationsbreite Mitgliedern einer mächtigen Gewerkschaft vorbehalten ist, die Überstunden machen müssen und dabei naß werden. Innerhalb einer solch spezialisierten gesellschaftlichen Gruppe ist Sprache nach einer Weile überflüssig.
Eine Dreiviertelstunde später deutete der Bootsführer an, daß in dem Fall nur noch die West Bay übrigbleibe, beziehungsweise der Hafen der gleichnamigen Ortschaft. Er sagte das auf eine Art, als wollte er damit unterstellen, daß sich nur ein kompletter Schwachkopf die Mühe machen würde, im Hafen von West Bay nachzusehen, da dort noch nie ein Schiff angelegt habe. Danny ging aber zu sehr in seinem eigenen Schicksal auf, als daß er dies bemerkt hätte.
Durch puren Zufall fuhr Dannys Boot genau in dem Moment in den Hafen ein, als die Verdomde ihn gerade verlassen wollte. Und dabei war die Verdomde in dieser Hinsicht nicht die einzige; an Land fand nämlich eine beispiellose Rangelei um Autos und eine verzweifelte Suche nach verlorengegangen Wagenschlüsseln statt. Die Menschen suchten panikartig das Weite, weil sich urplötzlich ein penetranter Geruch über die Bucht ausbreitete.
Aus Gründen, die nicht mehr erklärt werden müssen, nahm Jane den Geruch nicht wahr, aber alle anderen, einschließlich Vanderdecker, waren weniger glücklich dran. Ungefähr fünf Minuten, nachdem die Verdomde für seetüchtig erklärt worden war und das Geld den Besitzer gewechselt hatte, war die Wirkung des verzauberten Meerwassers von Dounreay verflogen. Glücklicherweise blies der Wind in die richtige Richtung, zumindest für Navigationszwecke. Obwohl Vanderdecker äußerst unglücklich darüber war, bei vollem Tageslicht in See stechen zu müssen, wußte er, daß er keine andere Wahl hatte, als diese günstige Gelegenheit zu
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