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Der Fliegende Holländer

Der Fliegende Holländer

Titel: Der Fliegende Holländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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kommen.
     
    Der Kater wachte auf, entrollte seinen Schwanz und hielt es für angebracht, einen kleinen Spaziergang zu machen. Nach ungefähr einem Meter entdeckte er, daß da Gitterstäbe im Weg waren.
    Soweit ganz nette Gitterstäbe, wie Gitterstäbe eben so sind. Höchstwahrscheinlich waren sie ihm zuliebe da, um zu verhindern, daß er zu weit fortlief und aus dieser geringen Höhe auf den Boden stürzte. Wenn es hier Wölfe gab, würde das Gitter sie mindestens dreißig Sekunden zurückhalten können, vorausgesetzt, sie waren nicht zu hungrig. Der Kater erwog alle diese Möglichkeiten, verwarf sie und miaute kläglich.
    Am anderen Ende des Raums spielte ein Mann auf einem großen, eleganten Musikinstrument, das wie eine Mischung aus einem Spinett und einem Cembalo aussah – es sollte darauf hingewiesen werden, daß er dies fast vollkommen lautlos tat, wenn man das Klappern der Tasten unter seinen sich rasch bewegenden Fingerspitzen nicht zählte.
    Als der Mann das Miauen hörte, hob er den Kopf und blickte zum Käfig hinüber. Es schloß den Deckel des Musikinstruments und schlenderte durch den Raum. Auf halbem Weg blieb er bei einer Art Schuhkarton stehen, aus dem er eine tote Maus am Schwanz herauszog.
    »Hier, Muschi«, murmelte er, wobei er ziemlich verlegen klang; er war es nicht gewohnt, mit Katzen, kleinen Kinder oder irgendwelchen anderen empfindsamen Lebensformen zu sprechen, die von einem praktisch erwarten, daß man sie mit alberner Stimme anredet. In Wirklichkeit war er es sogar nicht einmal gewohnt, mit irgend jemandem zu sprechen, der kein akademischer Würdenträger war, und das merkte man. »Mag denn unser hübscher Schmusekater ein leckres kleines Mäuschen?«
    Der hübsche Schmusekater miaute, und der Mann ließ die leckre kleine Maus durch die Gitterstäbe hindurch von oben hinabfallen. Der Kater duckte sich und konnte gerade noch verhindern, am Kopf getroffen zu werden; er sah noch nicht einmal so aus, als wäre er besonders dankbar für diese nette Geste. Der Mann gab die verschiedensten gurrenden Laute von sich und stupste mit dem Finger in Richtung des Katers, um ihn wohl ein wenig aufzuheitern. Der Kater wußte das sehr zu schätzen – er biß hinein, und zwar fest. Der Mann zuckte leicht zusammen und zog den Finger zurück. Er war unverletzt. Durch diese kleine Vergeltungsmaßnahme ermutigt, fraß der Kater die Maus. Der Mann sah auf die Uhr. Fünf Minuten später verließ er den Raum und begab sich in das im eleganten Queen-Anne-Stil gehaltene Treppenhaus.
    »Missis Carmody«, rief er quer durch den Flur, »könnten Sie wohl einen Moment ins Arbeitszimmer rüberkommen?«
    Kurz darauf tauchte in der Tür eine große grauhaarige Frau auf, die über einem unbezahlbaren Ralph-Lauren-Modellkleid eine Schürze trug. Ihre Hände waren voller Mehl.
    »Was gibt’s denn?« fragte sie leicht gereizt.
    »Missis Carmody, riecht diese Katze?«
    Die Frau schnupperte vorsichtig am Käfig. »Nein, sollte sie das denn?«
    »Nein«, entgegnete der Mann. »Danke, Sie waren mir eine große Hilfe.«
    Der Kater betrachtete die beiden Menschen erstaunt, die aber nichts davon bemerkten. Die Frau fragte, wann sie die Gäste erwarten könne.
    »Ich glaube, es hieß, wir treffen uns gegen halb sieben«, sagte der Mann.
    »Dann müssen die eben warten«, erboste sich die Frau. »Sie können von mir nicht erwarten, daß ich aus dem Nichts Rosinenbrot zaubere.«
    Der Mann nickte schuldbewußt und gestand seinen Fehler ein. Dann setzte er sich wieder ans Spinett und begann so lautlos wie zuvor zu spielen. Nach ungefähr zehn Minuten klingelte das Telefon, und jemand las ihm die Ergebnisse eines Experiments mit Platinisotopen vor. Der Mann bedankte sich, verabschiedete sich und legte den Hörer wieder auf. Eine halbe Stunde später rief der Mann Mrs. Carmody erneut zu sich.
    »Und riecht sie jetzt?« wollte er von ihr wissen.
    »Nein.«
    »Ausgezeichnet!« freute sich der Mann. »Es macht Ihnen doch hoffentlich nichts aus, mir auf diese Weise behilflich zu sein, oder?«
    Mrs. Carmody überlegte kurz und sagte dann: »Nein.« Der Mann dankte ihr daraufhin erneut, und sie ging wieder hinaus.
    Was die Katze über alles das dachte, tut nichts zur Sache.
     
    »Entschuldigung, aber fliegen wir nicht in die falsche Richtung?« erkundigte sich Danny besorgt.
    Der Pilot lehnte sich zurück und grinste beruhigend. Offensichtlich verstand er wegen des Motorenlärms und der aufgesetzten Kopfhörer kein Wort. Allerdings flog er

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