Der fliegende Holländer
war's, als ob aus seinen Augen
Ein ängstlich flehender Blick sie traf,
Zum Wärter schien er nicht zu taugen;
Dann nahm sie's ihm und sang's in Schlaf.
Schlummre nun ein, du liebliches Kind,
Ruhest so sicher nicht wieder,
Draußen surret und sauset der Wind
Dir einmal andere Lieder,
Wenn in der schwingenden Matte du liegst
Und dich in Träumen der Heimat wiegst.
Wallalla, sumsolisein,
Schlafe, Liebling, schlaf' ein!
Schleicht dir ans Bett der Klabautermann,
Auf dich die Hände zu legen,
Schaut er mit blinzelnden Augen dich an,
Murmelt dir Sprüchlein und Segen.
Bist dann in Stürmen und Wogen gefeit
Fern in des Meeres Wildeinsamkeit.
Wallalla, sumsolisein,
Schlafe, Liebling, schlaf' ein!
Hüte dich vor den Seejungfrau'n,
Wenn sie dich locken und necken!
Darfst den winkenden Armen nicht trauen,
Die sich entgegen dir strecken.
Halb nur ist's ein berückendes Weib,
Halb eine Nixe mit schuppigem Leib.
Wallalla, sumsolisein,
Schlafe, Liebling, schlaf' ein!
Fährst du mit vollen Segeln hinaus
Einst in das schäumende Leben,
Denke daheim doch ans Vaterhaus,
Laß es dich freundlich umweben;
Seemann da draußen in Wetter und Wind
Ist ja doch auch einer Mutter Kind.
Wallalla, sumsolisein,
Schlafe, Liebling, schlaf' ein!
Heiko – so ward der Knabe genannt
Bei seiner Taufe – ward tagtäglich
Als größrer Prachtkerl anerkannt,
Und Ingeborgs Freude war unsäglich.
Doch Edzard stand oft in Gedanken,
Starrt' auf den kleinen Schläfer hin,
Ließ seine Wiege leise schwanken,
Und Schweres ging ihm durch den Sinn.
Er war ein Theil von der Liebsten Leben,
In seinen Aederchen rollt' ihr Blut,
Sie würde für ihn das ihre geben
Und ihn vertheid'gen mit Löwenmuth.
Was aber sollte mit ihm geschehen,
Wenn einst enthüllt ward Edzards Trug
Und dann zum Voneinandergehen
Der Trennung bittre Stunde schlug?
Würd' Ingeborg den Knaben lassen,
Ihm lassen ihn auf hoher See?
Würd' es ihr Herz verstehn und fassen
Und doch nicht brechen in seinem Weh?
Und wollte sie ihn mit sich nehmen,
Weil's Mutterliebe nicht anders begriff,
Würde van Straten den Unbequemen,
Den Bastard dulden auf seinem Schiff?
Und Edzard? ach! er hing am Knaben,
Als wär' es von ihm selbst ein Stück,
Ihn auch weggeben hieß begraben
Den letzten Wiederschein von Glück.
Er wollt' ihn hüten und halten und hegen,
Sein Leben sollte sich darum drehn,
In ihm die Erinnrung der Liebe zu pflegen,
In ihm das Bild der Geliebten zu sehn.
Ihn Ingeborg nehmen, ihn Ingeborg geben,
Gleich hart war beides, und mit Eins
Zwei theure Wesen sehn entschweben, –
Ihr Schicksal war es oder seins.
So, wie nach einem Schiffbruch, trieben
Edzards Gedanken hin und her,
Vergällten ihm an seinen Lieben
Die Lust und machten's Herz ihm schwer.
Doch wundersam nun ist gebrauet
Der Trank, den uns das Leben reicht,
In den der Eine lächelnd schauet,
Vor dem der Andre stumm erbleicht.
Hoch schwingt der Freuden vollen Becher
Ein Glücklicher, führt ihn zum Mund
Und findet, ein erschrockner Zecher,
Des Wermuths Tropfen auf dem Grund.
Der Andre leert den Kelch der Leiden
Auch bis zum Rest, und wenn er denkt,
Er müss' in Angst und Noth verscheiden,
Wird doch ein Trost noch ihm geschenkt.
So ging es Edzard; schwer bezahlen
Mußt' er des Glückes Überschwang
Mit brennenden Gewissensqualen,
Weil er's mit Lug und Trug errang.
Doch bot in seines Schmerzes Wühlen
Sich ihm wie Balsam lindernd dar
Der Trost, zu sehen und zu fühlen,
Wie maßlos glücklich Ingborg war.
Ohn' ihn hätt' sie es nie erfahren,
Wie hochbeglückte Liebe thut,
Selbst in der Frist von wenig Jahren
War's doch für sie ein Himmelsgut.
Zwar hatt' er es mit schlimmen Waffen
Für sich erkämpft auch und erlost,
Doch daß er's Ingeborg geschaffen,
Das war ihm erst der rechte Trost.
Ihr dieses Glück noch zu erkaufen,
Galt ihm als Sühne seiner Schuld,
Hatt' ihnen doch, wenn's abgelaufen,
Einmal geblüht des Schicksals Huld.
Drum hielt er fest und tief verschlossen
In seiner Brust den herben Streit,
Daß Ingborg nur von Glück umflossen
Durchlebte die so kurze Zeit.
Schnell war der milde Herbst entflohen,
Der Winter kam mit Sturmgebraus
Und sperrte die genügsam Frohen
Bald wieder ins verschneite Haus,
Das Heiko nun, der süße Junge,
Belebte durch sein muntres Kräh'n,
Denn eine recht gesunde Lunge
Besaß der künft'ge Kapitän.
Er wuchs in seiner Eltern Pflege
Sichtlich heran schon und gedieh
Wie ein lieb Küchlein im Gehege
Und trank und strampelte und schrie.
Und als es endlich, endlich wieder
Auch auf dem stillen Inselland
Nun Frühling
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