Der fliegende Holländer
vom Antlitz fort:
»Ingeborg, sag' mir ein einzig Wort,
Sage mir, warst Du glücklich mit mir?«
Sie fiel um den Hals ihm, erdrückt' ihn schier
Und küßt' ihn lang und küßt' ihn heiß:
»Glücklich, Edzard? daß Gott es weiß!
Alles, Alles, verzeih' ich Dir,
Aber trenne Dich nicht von mir!
Laß uns dem Fürchterlichen entrinnen,
Laß uns ein neues Leben beginnen,
Setze Segel an alle Masten,
Laß uns nicht ankern, laß uns nicht rasten,
Bis wir landen, wo nichts uns droht,
Nichts, als Arm in Armen der Tod!«
Bis in die tiefste Lebensspur
Erschüttert sprach er: »Ich that den Schwur,
Daß ich Dich Jenem wiederbringe,
Und wenn ich daran zu Grunde ginge!
Ingborg, ich gehe zu Grunde daran,
Weil ich nicht ohne Dich leben kann,
Doch über das gegebene Wort
Hilft keine Macht der Welt uns fort.«
Da ward sie eisesstarr und bleich:
»So geh' an Deck, mach' mich nicht weich;
Eh' Du mein letztes Wort vernommen,
Muß mit mir selbst zum Entschluß ich kommen;
Nein, sieh mich nicht so fragend an,
Du findest mich hier wieder, mein Mann!«
Sie reicht' ihm die Hand, still ging er weg,
Und festen Schrittes stieg er an Deck.
XII.
Mann über Bord!
Ingborg war bis ins Mark getroffen,
Vernichtet von des Schicksals Schlag
Und wissend, daß sie nichts zu hoffen
Mehr hatte, nichts mehr vor ihr lag,
Als Eines nur, dem sie mit Grauen
Entgegen sah; wie sollte hie
Sie noch auf eine Zukunft bauen?
Wo war denn Zukunft noch für sie?
Trennung von Edzard lange Wochen,
Das war's, worum sie Bange trug;
Und nun? auf ewig abgebrochen
Die Brücke, die die Liebe schlug!
Hatt' er gefehlt, hatt' er gesündigt,
Als täuschend mit der Wahrheit Schein
Er ihr des Andern Tod verkündigt,
Um selber ihrer froh zu sein?
That er's, so that er es aus Liebe,
In Ungewißheit nur verzagt,
Wie weit sie selbst die Sehnsucht triebe,
Hätt' er die Wahrheit ihr gesagt.
Ihr wuchs empor aus seiner Lüge
Das Glück, sie mußt' ihm dankbar sein
Und widmet' ihm statt einer Rüge
Der Liebe völliges Verzeihn.
Jetzt aber hieß es Abschied nehmen,
Abschied auf ewig! nach dem Glück
An Edzards Brust, das wie ein Schemen
Dahin schwand, wiederum zurück
Zu jenem Andern, – den Gedanken
Ließ sie nicht ein zu Halt und Heg,
Da war kein Wanken mehr und Schwanken,
Für sie gab es nur einen Weg.
Sie war entschlossen, ihn zu gehen,
Und nicht mit bang versuchtem Schritt,
Mit raschem Sprunge sollt's geschehen
Und ohne Säumen, denn es litt
Sie keinen Tag im Leben länger;
Die nächste Nacht schon sollt' es sein,
Wo's Niemand sah, und eh' der Dränger
Ankam und pocht' auf seinen Schein.
Frei war sie dann von Schmach und Schande
Vor dem, der schnöde sie verspielt,
Und los und ledig aller Bande,
Mit denen er sie zwingend hielt.
Sie sah ihn vor sich; da durchliefen
Als wie vor einer Schreckgestalt
Angstschauder sie vor seiner tiefen,
Wahrhaft dämonischen Gewalt.
Doch wie vorm Tragen seiner Ketten,
Vor Allem, was von ihm ihr droht,
Sich anders flüchten, anders retten,
Als durch freiwillig raschen Tod?
Sie hörte durch die Schiffswand klingen
Der Wellen Lied, es sang ihr zu:
Komm nur, wir wiegen Dich und bringen
Still Dein gebrochnes Herz in Ruh.
Noch lange saß sie ohne Regung,
Ließ, mit sich fertig, ohne Streit,
In schmerzlicher Gemüthsbewegung
Vorbeiziehn die Vergangenheit.
Drei Jahr des Glückes und der Liebe!
Und noch so jung, so lebensfroh!
Wie gern, wie herzlich gerne bliebe
Sie noch vereint mit Edzard so!
In ihre Trennung sich zu fassen
Von ihm, war für sie Schicksalsspruch,
Nur auch ihr liebes Kind zu lassen,
Schien ihr Verrath und Treuebruch.
Doch es dem Andern übergeben,
In des Verruchten Rächerhand?
Niemals! mit Edzard sollt' es leben
Als ihrer treuen Liebe Pfand.
Sie ging mit schauerndem Gefühle
Schnell in die Koje nebenan,
Wo Heiko schlief auf seinem Pfühle,
Und manche heiße Thräne rann
Ihr aus den Augen stumm hernieder.
Sie nahm ihn auf, vom Schlafe warm,
Und herzte seine runden Glieder,
Daß er erwacht' in ihrem Arm.
Und er, erfreut von dem Umfangen,
Erstaunt ob ihrer Thränen Fluth,
Strich mit den Händchen ihr die Wangen:
»Nicht weinen. Heiko ist Dir gut.«
Sie küßt' ihn, kleidet' ihn, bezwingend
Gewaltsam ihrer Thränen Lauf,
Und Schmerz und Schwachheit niederringend,
Stieg sie mit ihm zum Deck hinauf.
Das Cap lag nördlich jetzt vom Stande
Des Schiffes, denn nicht angelegt
Ward dort, man kreuzte, fern vom Lande,
In einer See, die stark bewegt.
An Bord die Offiziere stutzten,
Daß in die Bai nicht Edzard lief,
Doch ihre Vorstellungen nutzten
Zu nichts, der
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