Der fliegende Holländer
Posten?«
»Nein, Kapitän, ich hab's gesehn,
Backbord am Heck ging Einer über,
Mit meinen Augen sah ich's doch!«
»Du Narr! Du Thor, blödsinnig trüber!
Hier stehen Alle, – was willst Du noch?«
»Kap'tän, – ich habe › Mann ‹ gerufen,
› Mann über Bord!‹ doch könnt's auch sein . . .«
»Barmherziger Gott!« hinab die Stufen
Fliegt Edzard, – »mein Weib!! « hört man ihn schrei'n.
Er stürzt zur Kajüte mit brennendem Hirne,
Ins Schlafgemach, – das Bett ist leer;
Ihm schlottern die Knie, er preßt sich die Stirne,
Er ruft, er sucht, er leuchtet umher, –
»Ingeborg! Ingborg, mein Licht und Leben!
Höre mich! rufe nur einmal mir zu! –«
Sie konnt' ihm nicht mehr Antwort geben,
Die Wogen trugen ihr Herz zur Ruh.
Er stürmt an Deck, ihr nachzuspringen,
Doch weit ist's schon, wo sie versank;
Sie mußten ihn halten, mußten ihn zwingen,
Sie glaubten, sein Geist sei wirr und krank.
»Laßt los!« befahl er, »ich will es tragen,
Noch ist für mich nicht Sterbens Zeit,
Ich habe noch Einem ein Wort zu sagen,
Eh' ich ihr folg' in die Ewigkeit.«
Dann wankt' er, seiner selbst vergessen,
In die Kajüt' hinab und saß
Dort in dem Sessel, wo sie gesessen,
Als sie ihr Thun und Lassen ermaß.
Er hatt' ihr nicht von den Augen gelesen,
Wozu sie Nachts ihn heiß umfing, –
Es war ihr letzter Kuß gewesen,
Als er von ihr zur Wache ging.
Und das im selben Augenblicke,
Wo neue Hoffnung ihn durchdrang,
Und sie, verzweifelnd am Geschicke,
Entschlossen war zum Todesgang!
O hätt' er ihr von Kampf und Streite
Gesagt, wie er's im Sinne trug!
Sie wäre nicht von seiner Seite
Geflohn, wenn er für sie sich schlug. –
Lang saß er noch, fuhr dann erschrocken
Empor, – »Heiko! nahm sie ihn mit?«
Er fühlte das Blut im Herzen stocken,
Trat in die Koje mit leisem Schritt, –
Da lag der Knabe, schlafumflossen,
Und ahnungslos hielt seine Hand
Das Tuch von Ingeborg umschlossen
Mit jenem Häufchen Dünensand.
Er warf sich hin, barg in den Kissen
Das Haupt, geknickt an Seel' und Leib,
Und weinte, weinte schmerzzerrissen
Ach! um sein schönes, blondes Weib.
XIII.
Im Süden.
Die Jungfrau kreuzt, halbstocks geheißt
Die Flagg' am Topp fortan,
Ihr Bugspriet jetzt nach Osten weist
Und wieder nach Westen dann.
Bedrückt an Bord sind alle Mann,
Sie lugen aus und seh'n
Sich stumm und traurig fragend an:
Was macht der Kapitän?
Sie sahen nicht sein Angesicht
Seit jener Schreckensnacht,
Wie er es trägt, sie wissen's nicht,
Nicht, wie er die Zeit verbracht.
Doch sehen sie vor Augen noch
Die schöne, blonde Frau,
Sie glauben's nicht und wissen doch,
Wohin sie ging, genau.
Ihr Blick, so hell und strahlend, drang
Jedeinem in die Brust,
Und ihrer Stimme froher Klang
War Allen eine Lust.
Was trieb sie in den Tod hinein
Aus ihres Gatten Arm?
Sie schienen glücklich doch zu sein
Und frei von Sorg' und Harm.
Welch finstre Macht hat den Entschluß
Zur That ihr eingeflößt?
Woher der Lebensüberdruß?
Das Räthsel blieb ungelöst.
Und nun hier kreuzen her und hin
Ohn' End' und ohne Ziel,
Einfältig schlichtem Seemannssinn
War's einzusehn zu viel.
Sie fragten nicht und murrten nicht,
Gehorchten streng und stumm,
Doch wie ein göttlich Strafgericht
Ging's ihnen im Kopf herum.
Das Schiff war wie in Bann gethan,
Als wär's entweiht durch Mord,
Als schlich' einher ein finstrer Wahn
Auf seinem breiten Bord.
Und eine düstre Ahnung wand
Sich aus dem Raum empor,
Als stünd' ihm aus des Schicksals Hand
Das Schlimmste noch bevor.
Edzard, die Augen thränenlos,
Saß in der Kajüt' allein,
Sich seinem Schmerz, unfaßlich groß,
Hingebend schloß er sich ein.
Er war vom Wirbel bis zur Zeh
So ganz davon erfüllt,
Als hätte sich ihm der Menschheit Weh
In Ingeborgs Tod enthüllt.
Zuweilen nur, wie Mondespracht
Aus dunkeln Wolken bricht,
Drang ihm in seiner Seele Nacht
Eines linden Trostes Licht.
Viel besser in der Meeresfluth
War Ingeborgs Sterben doch,
Als leben in des Andern Hut
Und unter seinem Joch.
Sie hatt' es selber ihm gesagt
Mit starrem Angesicht:
»Wenn jener Unmensch mich erjagt,
Lebendig kriegt er mich nicht!«
Auch Edzard wußte lieber sie
Auf tiefem, tiefem Grund,
Als daß sie mit dem Andern zieh'
Dahin ums Erdenrund.
Nie wieder könnt' er ruhig sein
Nur einen einzigen Tag,
In wunder Brust der Sehnsucht Pein
Bei jedem Herzensschlag.
Und immer dann das Wiedersehn
Erhoffen lebenslang
Vergeblich? lieber untergehn
Wie sie im Wogendrang!
Soviel der Schmerz ihn denken ließ,
Dacht' er an das zurück,
Was Ingeborg ihm war; jetzt hieß
Erinnrung
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