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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Russell
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deiner Songs unter einem Türschlitz hervordringt oder aus den Lautsprechern einer Eisdiele dröhnt, egal wo ich bin und egal mit wem, es wird immer einen kleinen Gefühlssturm in mir auslösen – Liebe und eine wehmütige Erinnerung an unsere gemeinsame Zeit. Es macht mir nicht mal was aus und wird mir auch nie was ausmachen, dass du ja gar nichts davon weißt. Denn trotzdem, Morrissey, warst du immer bei mir.
    Und deshalb schreib ich dir diesen letzten Brief, Morrissey – um dir zu danken.
    Und um dir zu erzählen, dass etwas Unglaubliches passiert ist; etwas, das nicht einmal Ralph weiß – obwohl er ja sogar das Songbook gelesen hat!
    Das Mädchen mit den Kastanienaugen existierte also nicht nur in meiner Phantasie. Sie ist wirklich da, Morrissey, hier in diesem Schreibseminar. Sie will Lyrikerin werden. Deshalb ist sie hergekommen. Sie möchte lernen, wie sie eine bessere Schriftstellerin wird. Jo sagt, das wünscht sie sich mehr als alles andere auf der Welt.
    Und deshalb hat sie neulich gesagt, sie wolle im Herbst vielleicht gar nicht mehr in die Schule zurück, um Abitur zu machen.
    Ich glaub, Ralph war ein bisschen sauer, als er das hörte. Er hat versucht, Jo zu überreden, die Prüfungen abzulegen und dann an die Universität zu gehen. Ralph sagte, Lyrikerin sei kein Beruf, und auch wenn Jos Sachen ihn sehr beeindruckt hätten, seien ihre Chancen, vom Schreiben zu leben, äußerst gering. Aber Jo hat nur die Achseln gezuckt und meinte: »Ich weiß, Ralph. Das hab ich schon immer gewusst. Aber warum sollte ich meine Zeit mit Abitur und Studium vergeuden, wenn ich gar kein Bedürfnis danach hab?«
    Ralph argmentierte, Bildung und Studium müssten nicht unbedingt Feinde der Kreativität sein.
    Aber Jo hielt dagegen: »Ich studier doch schon, Ralph. Ich studiere sehr intensiv. Ich studiere auch hier; ich studiere eigentlich immer.«
    Doch Ralph ließ nicht locker und brachte immer wieder neue Argumente vor, warum Jo unbedingt ihr Abitur machen sollte.
    Aber am Schluss schnitt Jo ihm einfach das Wort ab und meinte: »Na gut, Ralph, und was ist mit dir? Hast du denn Abi gemacht oder wie ihr das in Amerika nennt? Bist du auf die Universität gegangen? Und sag jetzt nicht ja – ich hab nämlich auf der Innenklappe deines Buchs gelesen, dass du gar nicht richtig studiert hast.«
    Ralph musste zugeben, dass Jo Recht hatte. Und da sagte Jo lachend, er solle doch nicht so ein Heuchler sein.
    Aber Ralph gab sich noch nicht geschlagen. »Nein … schau mal«, sagte er, »hör doch um Himmels willen auf zu lachen … ich … ich hatte Glück, okay? Obwohl ich nicht systematisch studiert habe, habe ich mir doch eine gewisse Bildung angeeignet. Von Leuten, die ich kannte und mit denen ich zusammengearbeitet habe, von denen habe ich eine Menge gelernt. Aber es hätte auch anders gehen können. Ich hatte einfach bloß Glück.«
    Jo sah ihn nur an. Und dann nickte sie lächelnd und sagte: »Ich weiß! Genau das werd ich auch haben: Glück!«
    Da gab Ralph auf. Später sagte er zu mir, bei so einem starken Willen sei es vermutlich egal, ob Jo Abitur mache oder nicht.
    Trotzdem bat er mich: »Auf dich hört sie vielleicht mehr als auf mich, Ray. Versuch’s ihr doch irgendwie klarzumachen, ja? Sie sollte wirklich in die Schule zurück.«
    Ich nickte. Aber ich tat nichts dergleichen. Denn ich wusste, dass Jo ihre eigene Entscheidung treffen würde und dass das eigentlich nichts mit mir zu tun hatte.
    Das erste Mal, als ich sie sah, Morrissey, an der Bushaltestelle beim Altglascontainer an der Hauptstraße, war sie in Failsworth gewesen, um ihre Mutter zu besuchen. Sie kam von weit her, aus Wirral, wo sie inzwischen bei ihrer Schwester lebte. Deshalb hab ich sie danach nie mehr in Failsworth gesehen. Sie kam nämlich nicht sehr oft dorthin zurück.
    Aber das wusste ich damals noch nicht. Ich wusste nur, dass sie ein Morrissey-Fan war. Und dass ihre Augen die Farbe von Kastanien hatten.
    Aber jetzt ist sie nicht mehr das Mädchen mit den Kastanienaugen. Sie ist einfach nur Jo.
    Alle Leute hier glauben, wir seien ein Paar. Ralph sagt, das passiert jedes Mal, wenn zwei junge Leute in einem Kurs sind. Die Älteren denken dann immer, die hätten sich ineinander verliebt. Ralph sagt, deshalb komme das auch so oft in den Geschichten vor; weil es zu den Dingen gehört, die wir unbedingt brauchen .
    Jo und ich lassen sie in dem Glauben. Letztlich kann man es ihnen auch nicht verübeln; wir zwei sind ja fast immer zusammen. Manche

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