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Der Fliegenpalast

Der Fliegenpalast

Titel: Der Fliegenpalast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Residenz
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Krakauer. »Darf ich fragen, wie viele Tassen Kaffee Sie am Tag trinken?« Er legte das Gerät aufs Bett, blickte auf das Nachtkästchen, auf dem einige Bücher lagen.
    H. schüttelte den Kopf.
    »Ich fühle mich schon seit Jahren als eine Art Invalide. Meine Nerven sind rascher gealtert als meine Physis, ein Erbteil meiner Mutter … Ich bräuchte
Another Go
, einen neuen Anlauf … Dieses Wort, das mir immer wieder im Kopf herumgeht, hat mein Sohn Raimund aus England mitgebracht. Er hat damit seinen älteren Bruder Franz aufzurichten versucht, dem es zuletzt in der Fremde gar nicht gut gegangen ist. Es stammt eigentlich von Henry James. Dieser Autor ist Ihnen vielleicht in New York untergekommen.«
    »Aber Sie sind nicht alt«, rief Krakauer, »und ich werde mich um Sie kümmern, wenn wir ab November wieder in Wien sind. Ich werde dann mehr Zeit haben, werde mich freimachen. Wissen Sie, meine Baronin ist unglaublich empfindlich, sie hat ein geringes Selbstwertgefühl. Das sieht man ihr überhaupt nicht an, sie teilt manchmal auch aus, kann sehr gebieterisch sein … Vor unserer Abreise aus Wien ist ihr die Katze entlaufen, darüber kommt sie nur schwer hinweg. Beinahe hätte sie die Reservierung für Bad Fusch rückgängig gemacht. Elisabeth, ihre Nichte, leidet manchmal sehr unter ihrem Benehmen … Die Tage demnächst in Ischl werden ihr gut tun. Wir fahren dann gleich mit dem Auto nach Zell am See hinunter, nach dem Essen, die Baronin möchte einiges einkaufen, warme Sachen. Es ist kaum zu glauben: Es hat den Anschein, als wäre der Baronin die Nacht im Freien sogar zuträglich gewesen … Wir bleiben an sich mindestens noch eine Woche, die Zimmer sind bis zum zwölften August reserviert. Nun, bis jetzt hat die Kur bei ihr leider nicht so angeschlagen, wie ich es mir gewünscht habe. Ich will mich in der Apotheke in Zell am See umsehen. Auch, ob ich etwas Geeignetes für Sie finde. Falls Sie etwas brauchen, aus Zell, so sagen Sie es mir bitte.
    Gerne hätte ich mehr Zeit zum Lesen. In Ihrem Prosaband habe ich gestern abend noch lange gelesen, das
Gespräch zwischen Balzac und Hammer-Purgstall
, ein zweites Mal.
Gespräch in einem Döblinger Garten
lautet der Untertitel … Es löst so viel in mir aus. Ich bin nämlich in Döbling aufgewachsen … Trotz meiner Müdigkeit war ich wieder völlig hingerissen von diesem Dialog. Ich werde das noch öfter lesen, um es mir ganz anzueignen. Auch die
Briefe des Zurückgekehrten
werde ich noch öfter lesen. Es sind darin philosophische Stellen, die ich wahrscheinlich erst bei einer weiteren Lektüre richtig begreifen werde. Wie konnten Sie wissen, was mich bewegte während der Heimreise auf dem Schiff nach Southampton? Und vor allem dann in Wien, die ersten Monate. Obwohl Sie ja über die Verhältnisse in Deutschland geschrieben haben – aber so groß sind die Unterschiede wohl nicht. Achtzehn Jahre war Ihr Zurückgekehrter fort; das ist eine lange Zeit. Ich war ja bloß acht Jahre in den Vereinigten Staaten, und auch das schien mir lange genug.«
    H. erwiderte, als der Text damals in einer Zeitung erschienen war, habe er besonders bei einigen seiner deutschen Freunde Ratlosigkeit, sogar Kränkung gespürt. Einige, denen er den Zeitungsabdruck geschickt habe, hätten überhaupt geschwiegen. Übrigens hätten auch mit dem
Balzac
nur wenige etwas anfangen können. Er habe das bedauert. Erfundene Gespräche und Briefe seien eigentlich ein Lieblings-Genre von ihm, es gebe darin große Meister, Walter Pater, Fontenelle, Walter Savage Landor, Wieland … Und von den neueren Autoren nicht zu vergessen Paul Valéry … Am liebsten hätte er damals, nach dem Erscheinen des fiktiven Briefs des Lord Chandos, in diesem Genre weitergearbeitet, er habe Dutzende Entwürfe, Ideen-Skizzen. Aber plötzlich habe er eine Familie gehabt, Kinder, er habe Geld verdienen müssen. Also habe er sich dem Theater zugewandt und habe, nachdem er neunzehnhundertsechs Richard Strauss in Berlin kennengelernt habe, der ein Libretto von ihm wollte, sein Glück darin versucht.
    »Im Grunde habe ich alles für meinen Vater geschrieben, meinen ersten und besten Leser, wie mir immer vorgekommen ist. Und dann, nach seinem Tod vor neun Jahren … Hätte ich nicht eine Familie zu ernähren gehabt, wer weiß, was ich getan hätte. Sebastian Isepp, immer wieder fällt er mir ein. Ich habe mir manchmal schon vorgestellt, die schriftstellerische Arbeit ruhen zu lassen, wenigstens für ein paar Jahre. Andererseits,

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