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Der Fliegenpalast

Der Fliegenpalast

Titel: Der Fliegenpalast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Residenz
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Teil ihrer Oberschenkel. Ihre rollenden Augen, als singe sie lautlos eine Partie aus
Lucia di Lammermoor
. Auch fiel ihm ein, was er kürzlich dem Poldy über die Fotografie seiner Freundin oder Zukünftigen – wer weiß? – geschrieben hatte. Und er fragte sich, ob die Elisabeth eine kalte Person sei. Und es fiel ihm ein, daß man ja aus der Konstellation Krakauer – Baronin – Elisabeth eigentlich einen Einakter machen könnte … Der Arthur Schnitzler, dachte er, hätte sich dabei früher gar nicht geniert. Er schaute auf den unebenen, bei jeder Bewegung knarrenden Bretterboden aus alten Zeiten. Der kleine Tisch stand auf einem bunten Fleckerlteppich, und auch vor dem Bett lag einer.
    »Ich muß mich jetzt leider fertigmachen«, sagte er und stand auf. »Ich werde erwartet. Der Frau Baronin wünsche ich baldige Genesung. Sie ist ja sicherlich bei dem Herrn Doktor in den besten Händen, nicht? Ich hoffe, sie beruhigt sich bald. Empfehlen Sie mich bitte dem Herrn Doktor.«
    »Bitte entschuldigen Sie. Es war dumm von mir.«
    Ihre glasklare Stimme, er hätte sie gerne gefragt, ob sie die Königin der Nacht schon einmal gesungen oder geprobt habe.

MEIN LIEBER ,
bin eine Weile in der Schweiz gewesen, jetzt aber seit bald einer Woche wieder hier in der Fusch ansässig, wo ich, wie Sie wissen, so oft war, mit den Eltern zumeist, so oft, daß mir, wenn ich mich zurückerinnern will, die Aufenthalte durcheinanderkommen
.
    Hoffentlich habe ich bald eine Luft, die nicht länger die freie Bewegung meiner Gedanken lähmt. Die unrechte Luft macht einen Tölpel aus mir. Ich bin so unglaublich abgespannt, sobald meine tägliche wie im Fieber eintretende Arbeitszeit vorüber ist, daß ich kaum mehr imstande bin, die Feder zu halten. Einmal muß ja doch der hohe Barometerstand kommen – wie sollte ich es ertragen, diese Arbeit unvollendet liegen zu lassen? Mir scheint, ich kann so ein ödes Hochland mit Tannen immer weniger ertragen
.
    Er brach ab, zerknüllte den Briefbogen. Zeit fürs Abendessen. Wenn er sich richtig erinnerte, hatte er dem Richard Beer-Hofmann in den letzten Monaten zwei oder drei Briefe und Karten geschrieben, während dieser nicht ein einziges Mal geantwortet hatte. Er ging zum Schrank und suchte nach einem frischen Hemd. Die Vroni oder die Kreszenz bitten, daß sie mir zwei wäscht und bügelt. Und dachte, alles hinschmeißen und weggehen. So wie der Installateur letzten Winter daheim. Als er den Zustand der Wasserrohre im Haus gesehen hatte, war er einfach verschwunden. Der Lehrbub hatte noch das Werkzeug zusammengeräumt und zur Gerty über seinen Meister gesagt: »Jetzt hat er alles hingeschmissen.« Wie hieß die Figur in dem Stück von Raimund?
    Es fiel ihm ein, daß er jetzt so alt war wie sein Vater damals, in jenem Jahr, als dieser hier in der Fusch plötzlich erkrankt war. Ist es möglich? dachte er, ich jetzt so alt wie mein Vater damals, wie ging das zu? Rappelkopf hieß der Gutsbesitzer aus dem
Alpenkönig und Menschenfeind
. Wo war der Zettel hingekommen, auf dem er die Abfahrtszeit des Postbusses nach Zell am See hinunter notiert hatte? Der Tisch war voll von Büchern, Poststücken, Zetteln, Zeitschriften. Und Steinen, die er beim Gehen aufgeklaubt hatte, die er wieder der Natur zurückgeben würde. Eigentlich sollte er es ja schon lange wissen, daß die schönsten Muster auf den feuchten Steinen vergingen, sobald diese trocken geworden waren. Er biß von der Scheibe Milchbrot ab, welche er vom Frühstück mit heraufgenommen hatte.
    Der Gerty sagen, daß dieses Milchbrot ebenso gut schmeckt wie unseres vom Bäcker Grünbaum daheim. Wozu eigentlich nach Zell am See hinunterfahren? Er würde halt diesmal nichts mitbringen von seiner Reise. Vor dem Kofferpacken ohne die Hilfe seiner Frau graute ihn.
    Max Reinhardt fiel ihm ein, die beiden riesigen Hunde, die jetzt vermutlich im Park seines Schlosses in Leopoldskron herumtollten. Aber er wußte nicht einmal, ob Reinhardt diesen Sommer in Salzburg verbrachte. Er rührt sich nie, dachte er, immer muß ich es sein, der schreibt oder anruft oder anfragt. Küchengeruch strömte zum Fenster herein; es wurde ihm bewußt, daß der Trakt, in dem er untergebracht war, über der Hotelküche lag. Er nahm wieder den Brief seines Sohnes in die Hand, Raimund, der lebenstüchtigere und, wie man sagte, ihm ähnlichere seiner Söhne. Er empfand es ebenso, und doch fühlte er oft, dass der Franz seinem Herzen noch näher stand.
    Wie freute er sich darauf, die

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