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Der Fluch der Abendröte. Roman

Der Fluch der Abendröte. Roman

Titel: Der Fluch der Abendröte. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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hilflos die Hände, wagte aber nicht, mich erneut zu berühren – ahnend, dass es nichts gab, was mich trösten konnte, keine Hilfe, um mich aus dem Sumpf zu ziehen.
    Ja, er hat es getan.
    Caspar hat Rache genommen.
    Saraqujals Plan ist aufgegangen.
    Nathan ist tot.
    Schon diese Gedanken waren unerträglich, noch schlimmer aber war dieser: Und ich bin schuld. Ich selbst habe Caspar hierhergebracht.
    Ich wurde taub für alle Geräusche, sah zwar, wie Lukas etwas sagte, aber hörte es nicht. Hörte auch nicht das Klappern meiner Zähne, fühlte nur, wie mein Kiefer sich immer mehr verkrampfte, wie mein ganzer Körper zu zittern begann. Nun berührte mich Lukas doch, zuerst nur zaghaft an den Schultern, dann umarmte er mich, hielt mich fest, und mehr noch: hielt mich zusammen. Ja, ich war mir sicher: Wenn er nicht da gewesen wäre, hätte mich der Schmerz zerrissen. Der Schmerz um Nathan, meinen Liebsten, dessen Blut hier überall vergossen worden war.
    »Es ist meine Schuld!«, schrie ich. »Es ist meine Schuld!«
    »Nein, das ist es nicht! Du hättest nichts dagegen tun können! Dieser Mann, er hat einfach das Schwert … ich verstehe gar nicht, woher … und diese immense Kraft, mit der er …«
    Ich riss mich aus der Umarmung und hob abwehrend die Hand. Nein, er durfte es nicht aussprechen, nicht schildern. Es war schlimm genug zu erahnen, was geschehen war, nachdem ich – entweder von Saraqujal oder Caspar – niedergeschlagen worden war.
    »Ich habe Caspar hierhergebracht …«, klagte ich. »Ich habe ihn hierhergebracht, und nur deswegen konnte er Nathan töten. Er wollte ihn immer töten. Schon seit Hunderten von Jahren.«
    Gedankenlos sprach ich es aus – das Geheimnis, dass Nathan und Caspar keine gewöhnlichen Sterblichen waren. Lukas schien kurz verwirrt, aber zog mich dann wieder an sich und achtete nicht auf das, was ich in meiner Trauer von mir gab.
    »Sophie … was immer du getan hast … du hast es für Aurora getan. Du warst verzweifelt!«
    »Ich habe mich von ihm täuschen lassen!«
    Noch während ich es aussprach, war ich mir nicht sicher, ob das tatsächlich stimmte – vielleicht hatte Caspar nicht gelogen, vielleicht war er wirklich so lethargisch und gleichgültig gewesen, als ich ihm auf der Lodge begegnete, doch als er hier auf Nathan getroffen war, hatte er der Versuchung nicht widerstehen können. Saraqujal hatte erreicht, was er erreichen wollte: Ich hatte Caspar nicht einfach nur hierhergelotst; ich hatte ihm die Kraft gegeben, Nathan zu töten.
    »Nathan …«
    Ich brachte den Namen nur flüsternd hervor, und doch klang er in meinen Ohren wie ein Schrei – der Schrei eines Verwundeten, der weiß, dass er nie wieder gesund wird.
    Der Griff von Lukas’ Armen wurde fester. Er schüttelte mich leicht. »Ich weiß, wie du dich fühlst, ich weiß es genau. Damals, nach Mathildas Tod …« Wieder schüttelte er mich, sein Griff wurde fester, fast schmerzhaft, aber ich wehrte mich nicht dagegen, war vielmehr dankbar dafür, denn dieser Schmerz verdräng- te für kurze Zeit den anderen, viel größeren. »Aber Sophie … du darfst dich deiner Trauer nicht hingeben. Nicht jetzt. Noch nicht. Du musst versuchen, dich zusammenzureißen. Wegen Aurora. Und Mia. Und weil …«
    Seine Worte gingen in ein Rauschen über. Ich weiß nicht mehr, wie viel er noch sagte und was, ich weiß nur, dass er so lange auf mich einredete, bis ich wieder ruhig atmen konnte. Als er mich wieder losließ und ich aufstand, wankte ich nicht. Er hatte mich nicht nur beruhigt – sämtliche Gefühle schienen betäubt zu sein, mehr noch: Ich war wie tot. Mein Blick ging zur Tür, und ich konnte mir ganz nüchtern überlegen, was geschehen war.
    Ja, als Lukas gekommen war, hatte mich entweder Saraqujal oder Caspar niedergeschlagen. Wenn ich es recht bedachte, dann musste es Saraqujal gewesen sein, Caspar hatte doch vor mir gestanden und irgendetwas gesagt. Ich ging erneut auf die Tür zu, versuchte, sie zu öffnen, drückte mich dagegen. Sie war fest verschlossen.
    Saraqujal hatte mich also niedergeschlagen, damit ich nicht störte – und vielleicht sogar, weil er doch ein wenig Mitleid mit mir hatte und mir den Anblick ersparen wollte, wie Caspar …
    Meine Gedanken stockten, doch zugleich kam ich nicht umhin, mich zu fragen, warum so dermaßen viel Blut vergossen worden war. Nathan hatte sich in seinen Ketten doch nicht wehren können! Und … und auf welche der drei Arten hatte Caspar ihn wohl getötet?
    Ein

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