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Der Fluch der Abendröte. Roman

Der Fluch der Abendröte. Roman

Titel: Der Fluch der Abendröte. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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aber sie … sie wolltest du einfach nicht aufgeben.«
    Ich hob meine Hände, um sie vollends vor seinem Blick zu schützen, doch da trat Aurora hinter mir hervor und nickte ihm zu – alles andere als ängstlich oder hasserfüllt, sondern verständig.
    »Wir sollten wirklich nicht hierbleiben!«, sagte sie. »Jetzt können wir noch fliehen, aber später …«
    Kurz war ich so verblüfft, dass ich einfach nur starr stehen blieb. Mia schluchzte noch heftiger, Marian begann wieder zu zittern – und Aurora folgte Caspar offenbar bereitwillig.
    Ein wütender Aufschrei entrang sich meiner Kehle. »Lass sie in Ruhe!«, schrie ich erneut, stürzte auf Caspar zu und bekam den schwarzen Mantel zu fassen. Verwundert sah er mich an, während ich ungestüm an seinem Mantel riss. Er ließ es tatenlos über sich ergehen. Aurora hingegen packte mich plötzlich mit unglaublicher Kraft am Handgelenk.
    »Lass ihn!«, befahl Aurora mit dieser Stimme, die so fremd war wie ihre ungewohnte Stärke. »Er steht doch auf unserer Seite!«
    Ihre Worte beschwichtigten mich keinesfalls – im Gegenteil. »Was hast du nur mit ihr getan?«, rief ich.
    Denn das war es, was mir als Erstes durch den Sinn ging: dass er die gleiche Macht über sie gewonnen hatte wie damals, als er ihr Nephilim-Erbe erweckt hatte und sie ihm – vor Nathans und Caras Eingreifen – schutzlos ausgeliefert gewesen war. Ja, so musste es sein! Das erklärte auch ihre Kraft, ihren strahlenden Blick! Er hatte irgendetwas getan, um sie sich zu unterwerfen, um sie zu einer willigen Dienerin zu machen, zu einer ferngesteuerten Marionette – und wenn ich auch nicht genau wusste, wie er das erreicht hatte, so war ich mir einer Sache gewiss: Sie konnte sich nicht gegen ihn wehren. Aber ich konnte mich wehren, konnte es zumindest versuchen.
    »Du kriegst sie nicht!«, schrie ich und zerrte wie verrückt an seinem Mantel. »Sie ist Nathans Kind, nicht deines!«
    »Mama, er ist doch …«
    »Sophie, es ist jetzt wirklich nicht die Zeit …«
    Wir redeten alle wild durcheinander, und schließlich wollte sich Caspar doch gegen meinen Angriff wehren. Aurora hingegen hob beschwichtigend die Hand, um ihn zurückzuhalten. Und dann stürzte Mia auf uns zu und rief weinend: »Es tut mir so leid, Aurora, es tut mir so leid.«
    Ich verstand nicht, was sie meinte, verstand auch nicht, was die Stimme von uns wollte, die Stimme, die da plötzlich rief: »Los! Sehen wir zu, dass wir von hier fortkommen!«
    Nein, ich begriff nicht, was das alles bedeutete – aber die Stimme war vertraut, so tief vertraut, genauso wie das Gesicht, wie der Körper.
    Er kam vom Bergwerk her, auf jenem Weg, den ich eben mit Marian genommen hatte. In seiner Hand hielt er ein Schwert, das ebenfalls mit blauem Nephilim-Blut besudelt war, so wie vorhin die Ketten – die Ketten, die ihn gefangen gehalten hatten. Ich hatte geglaubt, es wäre sein Blut gewesen. Doch das war es nicht. Er war nicht tot, er stand lebendig vor mir. Und sagte wieder und wieder: »Lasst uns von hier verschwinden.«
    Nathan.
    Mein Nathan.

XII.
    Die Welt schrumpfte. Da war kein Caspar mehr, keine Aurora, keine Mia, kein Marian. Da waren nur noch Nathan und ich. Bis jetzt war es mir irgendwie gelungen, den unermesslichen Schmerz um ihn in Zaum zu halten, mich nicht völlig der Trauer hinzugeben, zumindest nicht, solange Aurora in Gefahr war.
    Ich schluchzte auf. Nathan wiederzusehen machte mir erst begreiflich, was es bedeutet hätte, ohne ihn leben zu müssen. Nie wieder in seinen blauen Augen zu versinken. Nie mehr zu hören, wie er meinen Namen flüsterte. Nie mehr ihm entgegenstürzen, ihn zu umarmen, mich in seine Arme fallen zu lassen. Er hielt weiterhin das Schwert in der einen Hand, aber mit der anderen strich er über meinen Rücken und presste mich an sich. Ich umschlang seinen Nacken, zog sein Gesicht zu meinem, suchte seine Lippen und küsste ihn, so hungrig und sehnsüchtig, wie ich ihn noch nie geküsst hatte. Die Wärme, die durch meine Adern floss, war mir vertraut, das Beben, die Hingabe, die Liebe. Doch noch etwas anderes kam hinzu: das Gefühl, wieder heil zu werden, wieder ganz zu sein. Sämtliche Wunden, ob nun die sichtbaren oder unsichtbaren, schienen sich zu schließen.
    Bis jetzt hatte ich mich auf den Beinen gehalten, irgendwie weitergemacht, irgendwie weitergehen können. Jetzt versagten mir die Knie. Ich löste meine Lippen von seinen, presste meinen Kopf an seine Brust, fühlte, wie sein Herz schlug. Er ist nicht

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