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Der Fluch der Abendröte. Roman

Der Fluch der Abendröte. Roman

Titel: Der Fluch der Abendröte. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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durchschaut, als es schon zu spät war«, schloss er.
    »Weil ihr Wächter Dummköpfe seid!«, höhnte Caspar. »Du hast dich ihm ausgeliefert, damit er Sophie und Aurora in Ruhe lässt. Pah! Welche Narrheit! Ha, als ob er sich damit zufriedengegeben hätte, dich in Ketten zu legen und abschlachten zu lassen!«
    Nathan funkelte ihn wütend an. »Du hast dich auch von ihm locken lassen.«
    »Nein«, wehrte Caspar entschieden ab, »nicht von ihm, sondern von Sophie. Das kannst du mir wohl kaum verübeln.« Ich hatte mich etwas von Nathan gelöst, als Caspar auf uns zukam. Ich spürte die Feindseligkeit zwischen den beiden wie eine grelle Flamme auflodern.
    Nathans Kiefer waren aufeinandergepresst, Caspar hingegen lachte kreischend auf.
    »Hört auf!«, schaltete sich Aurora ein. »Sie … sie kommen doch bald!«
    Caspars Gelächter verstummte, Nathans Gesicht war nicht mehr hasserfüllt, sondern beunruhigt. Kurz verstand ich nicht, was Aurora meinte, doch als sie wiederholte: »Ja … bald sind sie hier …«, wusste ich, dass sie die anderen Nephilim meinte … Wächter wie Schlangensöhne … von Saraqujal hierhergelockt, damit sich am Tod einer der Ihren ihr ganzer Hass auf den Feind entzünde. Doch Saraqujal war tot, und Caspar und Nathan lebten noch. Wie würden sie sich verhalten, wenn es zum Kampf kam?
    »Aber ich verstehe nicht«, setzte ich an. »Warum glaubte Saraqujal, ausgerechnet mit eurem Tod einen großen Kampf zu provozieren? Ihr seid beide Einzelgänger, ihr habt in den letzten Jahren nichts mit euresgleichen zu tun gehabt. Würdet ihr euch gegenseitig im Kampf töten, wäre das doch zunächst eure Sache – und nichts, wofür andere Wächter und Schlangensöhne Rache nehmen würden!«
    Nathan nickte. »Das scheint in der Tat wenig durchdacht. Aber wahrscheinlich hoffte Saraqujal darauf, dass allein das Zusammentreffen mit dem Erzfeind den alten Hass neu entfachen würde.«
    »Aber warum sollten andere Nephilim überhaupt bereit sein, hierherzukommen? Wirklich euretwegen?«
    Ich wollte noch mehr fragen, doch Caspar hob die Hand und gab mir ein Zeichen zu schweigen.
    »Später …«, murmelte Nathan. Was jetzt zählte, war allein, dass sie kamen.
    Aurora lauschte weiterhin angestrengt.
    »Hörst du sie?«, fragte Caspar. Sämtlicher Spott und Schmerz waren aus seiner Stimme gewichen.
    »Ja«, gab sie nach einer gefühlten Ewigkeit zurück. »Ich höre sie. Es sind insgesamt 112. Die Hälfte von ihnen sind Wächter – die anderen Schlangensöhne.«
     
    Schweigen breitete sich aus. Ich konnte die Anspannung fühlen, die von jedem von uns ausging, doch anders als Nathan, Caspar und Aurora vernahm ich nichts, zumindest kein Geräusch, das auf eine große Anzahl Nephilim schließen ließ – so wie damals, als Caspars Schar meine Villa überfallen hatte und ein Rauschen ähnlich dem eines riesigen Vogelschwarms zu hören gewesen war.
    Und wie konnte Aurora eine so genaue Zahl benennen, die Nathan und Caspar auch einfach hinnahmen, ohne sie zu hinterfragen? Nach all der Aufregung hatte dieser Moment etwas Irreales. Nicht länger schien ich in einem Albtraum voller Bedrohungen und Gefahren gefangen, sondern in einem irrwitzigen Bühnenstück, in dem jeder seine Rolle genau zu kennen schien – nur ich nicht. Ich war die unbrauchbare Statistin, die der Handlung einfach nicht folgen und nicht einmal die einzige ihr zugedachte Aufgabe erfüllen konnte: nämlich möglichst wenig zu stören.
    Gedankenfetzen zogen durch meinen Kopf, aber fügten sich nicht in einen vernünftigen Zusammenhang. Caspar und Nathan verbündet … sie kämpften nicht gegeneinander … stattdessen hatten sie sich gemeinsam gegen Saraqujal gestellt … Doch jetzt kamen andere Nephilim … von Saraqujal herbeigelockt … Saraqujal, der obendrein Aurora hatte entführen lassen … obwohl meine Liebe zu Nathan doch eine ausreichende Motivation gewesen wäre, mich dazu zu bringen, Caspar zu suchen und mit ihm ins Bergwerk zu gehen …
    Ich schüttelte den Kopf. Sooft ich mir das auch vorsagte – ich ahnte, dass noch ein Puzzlestück fehlte, um zu begreifen … eine entscheidende Erkenntnis, die den anderen längst den Blick auf die ganze Wahrheit enthüllte hatte.
    »Wenn Caspar Nathan nicht getötet hat«, durchbrach meine Stimme das angespannte Schweigen, »wenn ihr gemeinsame Sache gegen Saraqujal gemacht habt – warum habt ihr dann Lukas und mich nicht schon früher aus unserem Gefängnis befreit? Es war doch Saraqujal,

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