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Der Fluch der Abendröte. Roman

Der Fluch der Abendröte. Roman

Titel: Der Fluch der Abendröte. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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der uns dort eingesperrt hat – wie konnte er das gegen euren Widerstand tun? Und warum hat Lukas behauptet, dass Nathan tot sei?«
    Niemand antwortete mir. Caspar blickte mich spöttisch an, Nathan und Aurora hingegen auf eine eigentümliche Weise, die ich nicht recht deuten konnte – etwa mitleidig? Wieder glaubte ich die Anspannung förmlich spüren zu können, die von jedem Einzelnen hier ausging. Mia schluchzte einmal mehr laut auf, doch als ich zu ihr herumfuhr, senkte sie rasch den Blick.
    »Was zum Teufel ist hier los?«, rief ich ungeduldig. »Lukas und ich konnten uns über einen Stollen befreien, sind dann durchs Bergwerk geirrt … zumindest so lange, bis die Explosionen losgingen.« Ich geriet ins Stocken, blickte wieder zu Caspar. »Ich dachte, du hättest die Explosionen ausgelöst«, stieß ich verwirrt aus.
    »Und warum soll ich, bitte schön, das Bergwerk einstürzen lassen wollen?«, gab er halb spöttisch, halb ungehalten zurück. »Und selbst wenn ich das wollen würde – denkst du wirklich, ich müsste etwas explodieren lassen?« Er hob herausfordernd seine Spinnenhände.
    Er machte einen Schritt auf mich zu, was Nathan mit einem bedrohlichen Laut quittierte. Ich achtete kaum darauf, war viel zu sehr in meinen Gedanken versunken.
    Er hatte recht … schon vorher war mir dieser Verdacht gekommen: Kein Nephil würde das Bergwerk sprengen, um es zum Einsturz zu bringen … das würde nur ein Bergmann tun … ein Bergmann, dem das entsprechende Sprengmaterial zur Verfügung stand …
    Ich hob meine Hände, massierte mir meine Schläfen, als könnte ich dadurch die trägen Gedanken auf Trab bringen.
    Die Explosionen hatten erst begonnen, nachdem wir Saraqujals Leichnam gefunden hatten … Lukas hatte in seiner Jacke genestelt, hatte behauptet, er würde ein Werkzeug suchen … und dann hatte er mich allein gelassen, um den Stollen zu stützen, wie er behauptet hatte … genauso wie er noch kurze Zeit zuvor behauptet hatte, dass Nathan tot sei.
    Aber Nathan lebte … und trotz Lukas’ vermeintlichem Eingreifen erschütterten weitere Explosionen das Bergwerk … und Mia … Mia schluchzte nun, schluchzte ganz erbärmlich, zitterte am ganzen Leib. Und hatte mich noch kein einziges Mal nach ihrem Vater gefragt.
    Ich starrte erst sie an, dann sah ich zu Marian hinüber. Unsere Blicke trafen sich, und in seinen hellblauen Augen lag etwas Drängendes, Forderndes. Wieder stieß er ihn aus, diesen einen Ton. Ein A, wie ich geglaubt hatte. Ein A, das für Aurora stand. Doch er hatte etwas anderes gemeint.
    Im italienischen Tonsystem wurde das »A« als »La« bezeichnet. »La« stand nicht für Aurora, sondern für Lukas Arndt. Und indem er den Ton wieder und wieder summte, hatte er mich nicht zu Aurora führen, sondern mich vor Lukas warnen wollen.
    Noch ein Detail kam mir in den Sinn, bestätigte die schreckliche Ahnung – Caspars erstaunte Frage, als Lukas scheinbar zufällig zu uns gestoßen war. »Das ist Mias Vater?«, hatte er gefragt, nicht einfach nur neugierig, wie mir jetzt auffiel, sondern irgendwie lauernd. Er musste geahnt haben, dass Lukas uns nicht zufällig ins Bergwerk gefolgt war, sondern weil das Teil eines Plans gewesen war – eines Plans, den er mit Samuel Orqual … mit Saraqujal ausgeheckt hatte.
    Ich ließ meine Hände sinken, schüttelte den Kopf. Das war absurd! Nicht nur, dass ein Nephil, und obendrein einer der Alten, gemeinsame Sache mit einem gewöhnlichen Menschen machte! Sondern vor allem, dass Lukas ein Feind war – Lukas, der sich so um Mia und Aurora gesorgt hatte, der bei mir in der Villa übernachtet und dem ich meine Ängste anvertraut hatte, Lukas, den ich beinahe geküsst hätte und der mich voller Mitleid umarmt hatte, als er mir erzählte, dass Nathan tot sei …
    »Warum?«, fragte ich tonlos. »Warum nur?«
    Mia hörte auf zu schluchzen. »Meine Mutter«, brachte sie erstickt hervor. »Es hat mit meiner Mutter zu tun, sie …«
    »Können wir das auf später verschieben?«
    Es war Nathan, der sie unterbrach – zwar sanft, aber bestimmt. Mia verstummte sofort. »Wir müssen fort von hier, ehe sie eintreffen«, erklärte er, und ich sah, dass sich seine Stirn sorgenvoll runzelte. »Wenn sie hier eintreffen und Aurora sehen, in ihrem Zustand …«
    Nicht nur er war ungeduldig – auch Caspar. Er trat auf Aurora zu, packte sie am Arm und wollte sie mit sich ziehen. »Dann lasst uns gehen!«
    Nathan stürzte mit einem Satz auf ihn los. »Fass du sie

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