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Der Fluch der Abendröte. Roman

Der Fluch der Abendröte. Roman

Titel: Der Fluch der Abendröte. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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nicht an!«
    Caspar ließ seine Hand sinken. »Nun reg dich nicht auf!«, stieß er mit diesem grässlichen Zischen aus, das in den Ohren weh tat. »Denk daran – wenn ich wollte, hätte ich dich längst töten können. Was bedeutet, dass Aurora dann mir gehört hätte.«
    »Tatsächlich?«, gab Nathan zurück, seine Stimme war voller Kälte. »Sie hätte dir gehört? Von wegen! Du weißt ganz genau, dass du es jetzt nicht mehr mit ihr aufnehmen kannst.«
    »Und gerade deswegen müssen wir sie verstecken.«
    »Richtig. Wobei ich mich frage, warum ausgerechnet du sie beschützen willst.«
    »Nun, du selbst wärst noch vor kurzer Zeit nicht in der Lage dazu gewesen. Du konntest ja nicht einmal auf deine Frau aufpassen.«
    Unbändig loderte die Feindseligkeit zwischen ihnen auf – so, als wäre ein Windstoß in einen Haufen nur vermeintlich kalter Asche gefahren und hätte hungrige Flammen entfacht. Ihre Körper verharrten in völliger Anspannung, sie schienen wie Raubtiere, die bereit waren, jederzeit zum Sprung anzusetzen, sich aufeinanderzustürzen und ihre Klauen und Krallen in den feindlichen Leib zu schlagen. Mochte ihr Verstand sie dazu gebracht haben, gegen Saraqujal ein Bündnis zu schließen – jetzt waren es vor allem die Instinkte, die sprachen, uralte Instinkte, die nie vergingen, genauso wenig wie dieser Hass, kalt und glühend zugleich. Ich wusste nicht, was ich diesem Hass entgegensetzen, wie ich die beiden mäßigen konnte, doch während ich hilflos diesen Ausbruch von Feindseligkeit beobachete, hob Aurora plötzlich ihre Hände und trat zwischen die beiden. Sie erstarrten, diesmal nicht vor unterdrückter Anspannung, sondern so, als wären sie plötzlich gelähmt. Doch bevor ich richtig erfassen konnte, was vor meinen Augen vor sich ging und welche Macht Aurora auf sie ausüben konnte, schrie Mia auf.
    Ich fuhr herum, sah sie an, doch sie starrte durch mich hindurch und schrie wieder. Marian war als Erstes ihrem Blick gefolgt und öffnete nun auch seinen Mund vergebens, es kam kein Laut heraus.
    »Mia, was hast du denn?«
    Ich wollte mich umdrehen, wollte sehen, was sie so erschreckte, doch ich konnte es nicht. Jemand hatte mich gepackt und hielt mich nun gnadenlos mit der einen Hand fest, während er mir mit der anderen Hand etwas an die Kehle hielt. Kalt fühlte es sich an … und scharf. Die Starre war von Nathan und Caspar abgefallen, und Aurora hatte ihre Hände wieder sinken lassen – doch es war zu spät für die drei, jetzt noch einzugreifen.
    »Eine falsche Bewegung«, drohte Lukas, »und sie ist tot.«
    Als er zu ihnen sprach, klang seine Stimme laut und eisig. Als er sich an mich wandte, wurde sie raunend.
    »Warum«, sagte er leise, »du hast nach dem Warum gefragt. Ich denke, ich bin dir eine Erklärung schuldig.«
    Gefahr … neue Gefahr … obwohl sie vorhin doch noch gehofft hatte, es würde endlich alles gut werden, obwohl sie so erleichtert gewesen war, die Verantwortung abzugeben … vor allem an ihren Vater, der plötzlich neben Caspar erschienen war. Sie war auf ihn zugelaufen, hatte ihn umarmt, wie sie ihn noch nie umarmt hatte, ohne ihre übliche Scheu – und ohne die Distanz, die sie so oft spürte. Er würde wissen, was nun zu tun war. Er konnte für sie entscheiden – für Mia, für ihre Mutter, die gleich darauf mit Marian erschienen war –, jetzt, wo sie vereint waren …
    Doch da gab es auch noch Lukas, Lukas Arndt, Mias Vater, der von Anfang an ein Verbündeter von Saraqujal gewesen war.
    Das ging nun auch ihrer Mutter auf, wenngleich sie es noch nicht ganz verstand, nicht verstehen wollte. Aurora konnte ihre Irritation fühlen, ihre Verwirrung, konnte die vielen Fragen förmlich hören, die ihr auf der Zunge lagen, die sie aber nicht hervorbrachte. Nur ein tonloses »Du?« keuchte sie, während sie unter seinem Griff erstarrt war, sich nicht zu wehren wagte, solange sie dieses Messer an ihrem Hals spürte.
    Und sie konnte auch etwas anderes spüren – Lukas Arndts Verzweiflung, so tief und absolut, seine verzehrende Trauer und das, wozu beides gewachsen war: zu Hass, zu Rachsucht – und auch zu Trotz. Ja, trotzig wirkte er, als er Sophie noch fester packte, das Messer erst an ihre Kehle presste und dann damit herumfuchtelte, damit ihm niemand zu nahe käme.
    In knappen Worten, wirr und rau, stieß er sie aus – seine Geschichte oder vielmehr Mathildas traurige Geschichte. Und Aurora hörte sie nicht nur, als er sie erzählte, sondern hatte den Eindruck,

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