Der Fluch der Abendröte. Roman
Nathan zu befreien, und beide zusammen schließlich damit, die Nephilim zurückzudrängen, die Saraqujal zusammen mit jenem Anastasios für seine Zwecke um sich geschart und auf sie gehetzt hatte. Von ihnen stammte das blaue Blut, das Sophie gesehen hatte, nicht von Nathan. Sie konnten sie nicht alle in der Kammer töten – manchen gelang die Flucht, und Caspar und Nathan liefen ihnen immer tiefer ins Bergwerk hinein nach. Lukas hingegen war mit Sophie zurückgeblieben, hatte selbst die Tür verschlossen und sie glauben lassen, sie seien eingesperrt. Mit Rachegelüsten allein hatte dies nichts mehr zu tun – längst ging es Lukas um mehr. Andeutungsweise hatte er von Saraqujal erfahren, dass Sophie nicht nur von Nathan, sondern auch von Caspar geliebt wurde, und er hatte beschlossen, sich als Retter in der Not zu zeigen, ihr Herz zu gewinnen und somit eben denen die Frau zu stehlen, die er für den Tod der eigenen verantwortlich machte. Als sie über Saraqujals Leichnam gestolpert waren, war Lukas klargeworden, dass sein Plan zu scheitern drohte, dass Caspar und Nathan noch am Leben waren, und so hatte er alles darangesetzt, das Bergwerk zum Einsturz zu bringen. Aber sein Ziel schien jetzt immer unerreichbarer.
Ans Aufgeben dachte er jedoch nicht. Er wusste, dass es Saraqujal nicht nur um den Tod von Caspar und Nathan ging, sondern um den großen Krieg zwischen diesen Kreaturen, und dass er sie herbeigelockt hatte, um sie gegeneinander aufzuhetzen und ein Blutbad zu provozieren.
Dieser Teil des Plans konnte noch immer gelingen. Und außerdem hatte er nun Sophie in seiner Gewalt.
Sie hatte sich ganz steif gemacht, um ihn möglichst wenig zu berühren.
»Wie konntest du nur?«, stieß sie aus. »Wie konntest du nur?«
Lukas’ Gesicht verzerrte sich. »Diese Kreaturen haben meine Frau getötet!«
»Das war Caspar! Caspar und seine Leute! Du aber wolltest auch Unschuldige in diesen Kampf mit hineinziehen. Nathan … mich … die Mädchen. Mein Gott, sie hätten verschüttet werden können, als du das Bergwerk zum Einsturz bringen wolltest!«
»Ihr Gefängnis befand sich an einer ganz anderen Stelle«, knurrte er.
»Und was ist mit Marian?«
Der Knabe duckte sich, als sein Name fiel.
»Marian«, brachte Lukas heiser hervor, »Marian ist doch kein echtes Kind. Er stammt doch von dieser … Brut ab.«
»Genauso wie Aurora, meine Tochter. Wolltest du sie auch töten?«
Er schüttelte brüsk den Kopf. »Natürlich nicht! Verstehst du denn nicht? Wir wären glücklich geworden! Du und ich, Mia und Aurora. Eine glückliche Familie. Eine ganz normale Familie. Ich hätte dir doch niemals Leid zugefügt, Sophie!«
Doch sein verzerrtes Gesicht verriet, dass er diese Skrupel nun nicht mehr kannte. Als Sophie unwillkürlich die Hände hob, schnitt er ihr mit dem Messer ins Fleisch; eine schmale Blutspur perlte über ihren Hals.
Jemand schrie heiser auf – Aurora wusste nicht, ob es Nathan oder Caspar gewesen war.
Nathan, das sah sie ihm an, hätte am liebsten einen Satz auf Lukas zugemacht, doch er beherrschte sich mühsam, weil er wusste, dass er Sophies Wohl über seinen blinden Instinkt stellen musste. Caspar kannte diese Selbstbeherrschung nicht. Blanke Wut zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als ihm aufging, dass er nicht nur von Saraqujal, sondern auch von einem gewöhnlichen Menschen in die Falle gelockt worden war.
Er wollte auf Lukas losstürzen – blitzschnell wie ein Nephil, aber nicht schnell genug, um Lukas das Messer zu entreißen, ehe der Sophies Kehle aufgeschlitzt haben würde. Das erkannte Aurora auf einen Blick und folgte ihrer ersten Regung. Sie warf sich dazwischen und stieß hart mit Caspar zusammen. Unter der Wucht des Aufpralls blieb ihr die Luft weg. Sie wurde zurückgestoßen, nicht sicher, ob von ihm oder einer unsichtbaren Macht, und ging wie er zu Boden. Aurora rappelte sich als Erste wieder auf, doch auch Caspar blieb nicht lange liegen, stierte sie an, nicht länger ehrfürchtig und bewundernd, sondern angewidert, als wäre sie ein lästiges Insekt. Wieder wollte er einen Satz auf Lukas zumachen – und wieder hinderte Aurora ihn daran, diesmal, indem sie einfach ihre Hände hob und ihm die ganze Macht ihres Willens entgegenschleuderte.
Caspar wich instinktiv vor diesem unsichtbaren Bannkreis zurück.
»Du verdammtes …«, entfuhr es ihm.
Auroras Hände begannen zu zittern, sie wusste nicht, wie lange sie ihn in Zaum halten konnte, aber da war schon Nathan zur Stelle und
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